“Si dolce è’l tormento”
Werkverzeichnisnummer: 3540
2005
CLAUDIO MONTEVERDI
Solomadrigale
Was den Medici in Florenz recht war, das konnte den Kaufleuten Venedigs nur billig sein. Schnell griff die Lagunenstadt die Anregungen von den umliegenden Höfen, aus Mantua, Ferrara und Florenz auf und wurde bald zum wichtigsten Umschlagplatz für die neuen Sologesänge des Barock. Zwei Umstände kamen den Venezianern dabei zu Hilfe: ihre Potenz als Weltzentrum des Notendrucks und ihre vorausschauende Personalpolitik. 1613 hatten sie den genialsten Komponisten der Epoche und den dramatischsten Autor von Sologesängen, Claudio Monteverdi, als Kapellmeister an San Marco verpflichtet. Fortan bescherte er ihnen nicht nur die affektreichste Kirchenmusik der Epoche, sondern auch weltliche Gesänge in allen Genres von der erwünschten Ausdrucksstärke und Inovationskraft.
Neben Theaterszenen, großartigen Madrigalen, Balli und Opern hat Monteverdi für die Palazzi der Venezianer auch eine Unzahl kleinerer, strophischer Sologesänge verfasst, die er teils selbst, teils in den Sammlungen Dritter zum Druck beförderte. “Vierter Scherz der gesungenen Schönheiten” (Quarto scherzo delle ariose vaghezze) nannte der venezianische Drucker Milanuzzi einen Band von Sologesängen für Sopran und Basso continuo, den er 1624 veröffentlichte. Wie der Titel schon andeutet, handelte es sich bereits um die vierte solche Publikation von diesem Herausgeber. So scherzhaft wie der Titel ist der Inhalt der Sammlung nicht unebdingt: unsere beiden Beispiele aus Milanuzzi, “Ohimè, ch’io cado” und “Si dolce è il tormento”, sind eher Verzweiflungsausbrüche leidgeprüfter Liebender. Während das erste Madrigal fast durchweg auf einem gehenden Bass beruht, einer Art Chaconne, und erst beim Gedanken an das Paradies sich beruhigt, gehört die Melodie von “Si dolce è il tormento” in ihrem melancholisch absteigenden Duktus zu den schönsten, die Monteverdi erfunden hat.
In seinem eigenen Band von “Scherzi musicali”, bestehend aus Arien und Madrigalen “in stil recitativo”, den Monteverdi 1632 heraus brachte, machte er mit dem musikalischen Scherz gewissermaßen ernst. “Quel sguardo sdegnosetto” aus diesem Band ist ein ironisch wütendes Liedchen, mit virtuosen Verzierungen ausgeschmückt. In seiner Melodik kündet sich ebenso unüberhörbar Die Krönung der Poppea, Monteverdis späte Oper, an wie in den anderen beiden Scherzi: “Eri già tutta mia” und “Maledetto sia l’aspetto” könnten Monteverdis Dienerfiguren wie Arnalta in den Mund gelegt sein.
Karl Böhmer