"Phantasiestück" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Mauricio Kagel

"Phantasiestück"

“Phantasiestück” für Flöte und Klavier mit Begleitung

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1055

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Der Argentinier MAURICIO KAGEL zählt zu den bekanntesten und meistdiskutierten zeitgenössischen Komponisten. Zu seinem Werdegang schrieb Sigrid Wiesmann:
Er wurde, wie er es formuliert hat, ‘durch Kontakt mit ungenügenden Lehrern zum Autodidakten ausgebildet’. Dies gilt vor allem für die Komposition; Klavier, Cello, Klarinette, Theorie und Dirigieren erlernt er im Privatunterricht. Bevor er mit 18 Jahren zu komponieren beginnt, hat er sich durch Aufführungen und Analyse mit den Werken von Schönberg, Webern, Varèse und Ives vertraut gemacht. Schon seine frühen Werke zeigen experimentellen Charakter: In ‘Musica para la torre’(1953/54) komponiert er eine wandelnde Illumination für einen Ausstellungsturm, wo der Bewegungsablauf von Tonbandmusik begleitet wird. Seit Beginn der 50er Jahre widmet er sich mit großem Engagement dem Film und wird Mitbegründer der argentinischen ‘Cinématique’ in Buenos Aires. Für die Zeitschrift ‘Nueva visión’, die sich mit zeitgenössischer Architektur und visueller Kommunikation beschäftigt, redigiert er Photo- und Filmartikel. 1955 wird er Korrepetitor am Teatro Colón und Studienleiter der Kammeroper. 1957 kommt er als Stipendiat des DAAD an das Studio für Elektronische Musik nach Köln; seither lebt er dort…
1960 gründet er das ‘Kölner Ensemble für Neue Musik’und führt mit ihm das richstungsweisende ‘Sur scène’ (1959/60) auf… Für diese Kompositionstechnik, die teilweise den Schein eines ‘Gesamtkunstwerks’ erweckt, findet er den Begriff des ‘Instrumentalen Theaters’: Nicht nur Musik, sondern Mimik, Bewegungsabläufe und räumliche Dispositionen sind genau festgelegt. Seither arbeitet er an diesem Konzept weiter. Theoretische Verästelungen führen ihn immer wieder zu neuen Lösungen. Dabei wird der Weg von visualisierter Darstellung des Musikalischen zu einem ausgesprochenen, wenn auch neuartigen musikalischen Theater erkennbar.”
Theatralisches fließt auch in das Phantasiestück für Flöte und Klavier mit Begleitung ein, das Kagel 1987/88 im Auftrag der Arno Schmidt- Stiftung Bargfeld komponierte. Die Begleitung aus Streichtrio, Klarinette und Baßklarinette ist nicht nur ad libitum- d. h. das Stück kann auch ohne sie als Duo ausgeführt werden -, sie soll auch für den Zuhörer unsichtbar bleiben; darüberhinaus gibt es für den Flötisten gewissermaßen szenische Anweisungen. In seiner Stimme kann man im übrigen alle modernen Techniken des Flötenspiels vereinigt finden: Flatterzunge, Singen ins Rohr und sog. “Lippenpizzicato”, Klappenschlag ohne Ton sowie eine Art Pfeifen, bei dem der Flötist “etwas entfernt vom Mundloch pusten soll”. Der aus der Romantik entlehnte Titel “Phantasiestück” bestätigt Kagels intensive Auseinandersetzung mit Robert Schumann in den 80er Jahren. Andererseits entfernt sich sein Stück von den geschlossenen Formen der Romantik und wendet sich – durch dauernd wechselnde Satzcharaktere – der “Freien Phantasie” der Empfindsamkeit zu, selbstverständlich in einer zeitgenössischen “Übersetzung”.