Flötensonate | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

André Jolivet

Flötensonate

Sonate für Flöte und Klavier

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1045

Satzbezeichnungen

1. Fluide

2. Grave

3. Violent

Erläuterungen

ANDRÉ JOLIVET zählte in der Nachkriegszeit zu den renommiertesten Komponisten Frankreichs. Als Sohn eines Malers und einer Pianistin in Paris geboren, fühlte er sich zunächst ebenso zur Literatur und Malerei hingezogen wie zur Musik. Als er sich endgültig für letztere entschieden hatte, wurden zwei Eindrücke für ihn entscheidend: der konservative, am traditionellen Kontrapunkt festhaltende Unterricht seines Lehrers Le Flem und die rigorose Avantgarde des Frankoamerikaners Edgar Varèse. Durch Varèse neigte Jolivet in seinem Frühwerk zu atonalen Experimenten, durch Le Flem blieb sein Tonsatz besonders in der mittleren Stilphase neoklassizistisch. In seinen reifen Werken nach dem Kriege – darunter Solokonzerte für Cello, Klavier, Harfe, Flöte, Trompete und Ondes Martenot – fand er einen Ausgleich zwischen beiden Extremen, der von Strawinsky und Debussy beeinflußt erscheint. Seine kompositorische Haltung ähnelt in gewisser Weise der Bartóks; sie zeigt “die gleiche Freiheit des Ausdrucks, die gleiche Vielfalt in der Einheit, die gleiche Dynamik” (A. Hoérée).
Jolivets Sonate für Flöte und Klavier aus dem Jahre 1958 ist zwei berühmten Exponenten französischen Virtuosentums gewidmet: dem Flötisten Jean-Pierre Rampal und dem Pianisten und Cembalisten Robert Veyron Lacroix. Entsprechend hoch sind die technischen Anforderungen an die beiden Ausführenden. Formal ist die Sonate dem traditionellen dreisätzigen Modell verpflichtet. Der erste, schnelle Satz wird von engen, chromatischen Schritten bestimmt, einer fast bohrend kreisenden Melodik, die durch dauernde Vorschläge in der Flöte etwas naturhaftes an sich hat. Dies gemahnt an Jolivets Bekenntnis, er wolle mit seiner Musik “den ursprünglichen alten Sinn von Musik als magischem und beschwörendem Ausdruck menschlicher Religiösität wiederherstellen”. Darauf verweist auch das “magische” Flötensolo zu Beginn des Mittelsatzes, das sich nach dem Einsatz des Klaviers in einem Lamento fortsetzt. Dessen Melodie steigt in der Flöte aus der tiefsten Lage allmählich in die höchste empor und dann wieder hinab, so daß ein großer Spannungsbogen entsteht. Das Finale macht die ideelle Nähe zu Bartók durch perkussive Härten auch unmittelbar hörbar.