Kammermusik Nr. 1, op. 24,1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Paul Hindemith

Kammermusik Nr. 1, op. 24,1

Kammermusik Nr. 1 für 12 Soloinstrumente, op. 24,1

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 957

Satzbezeichnungen

1. Sehr schnell und wild

2. Mäßig schnelle Halbe. Sehr streng im Rhythmus

3. Quartett. Sehr langsam und mit Ausdruck

4. Finale “1921”. Lebhaft

Erläuterungen

PAUL HINDEMITH wurde durch die Uraufführung seiner Kammermusik Nr. 1 in Donaueschingen 1922 zum “Bürgerschreck” der 20er Jahre. “Man steht einer Musik gegenüber, wie sie zu denken, geschweige zu schreiben noch nie ein deutscher Komponist von künstlerischer Haltung gewagt hat.”
Die Irritation, die das Entsetzen des Kritikers Alfred Heuß hervorrief, beruhte nach Hindemiths eigener Einschätzung auf einem “bewußten Zwiespalt zwischen Empfindung und Ausdruckstechnik”. In seiner Kammermusik werden “nicht nur Sätze heterogensten Ausdrucks unmittelbar kontrastiert, sondern die Ebenen des Ausdrucks – das musikalisch Anspruchslose als ernster Ausdruck, das Ausdrucksvolle als parodistisches Zitat etc. – können fortwährend und übergangslos wechseln, ohne daß sich eine ‘innere Mitte’ des Werkes erschließen läßt” (Giselher Schubert).
Das Groteske dieser Ästhetik zeigt sich bereits in der Instrumentation: ein Bläserquartett und ein Streichquartett werden mit Klavier kombiniert, darüberhinaus aber mit Akkordeon, einer Sirene, einer mit Sand gefüllten Blechbüchse und anderen nicht salonfähigen Instrumenten. Der Charakter der Sätze ist teils schrill motorisch, teils zart kontrapunktisch.
Das berüchtige Finale: 1921 greift auf den Foxtrott Fuchstanz von Wilm-Wilm zurück und damit auf jenen “Kitsch” der 20er Jahre, den Hindemith selbst schrieb, wenn ihm “keine anständige Musik” mehr einfiel. Die Kammermusik als ganzes “parodiert einen kammermusikalischen Anspruch: sie präsentiert sich als Kammermusik, aber in rohem, undifferenziertem, dennoch außerordentlich charakteristischem Kolorit, … in einem etüdenhaften, undurchhörbaren und oft geräuschhaften Begleitsystem, das eben nicht motivisch ausgearbeitet und transparent ist”. (G. Schubert).