Quartett für Frauenstimme, zwei Violen und zwei Violoncelli, op. 23 a, “Des Todes Tod”
Werkverzeichnisnummer: 953
1. Ruhige Viertel. Gehalten. Sehr ruhig
2. Sehr langsam. Sehr ruhig. Ziemlich lebhaft. Ruhig bewegt. Gehalten. Wieder ruhig bewegt. Sehr breit
3. Langsame Viertel. Ein wenig lebhafter. Wieder langsam. Sehr langsam. Ein wenig lebhaft. Sehr breit. Ein wenig lebhafter
1995
Des Todes Tod, Die junge Magd (1922)
In seiner lebenslangen Beschäftigung mit Literatur fand Hindemith musikalische Anregungen bei den unterschiedlichsten Dichtern und Dichterschulen: bei den großen Expressionisten wie Trakl oder Kokoschka ebenso wie bei Klassikern, bei Vorreitern der Moderne wie Whitman ebenso wie bei Zeitgenosse. Zu seinen problematischsten literarischen Beziehungen gehörte die Zusammenarbeit mit dem jungen Eduard Reinacher (1892-1968), den er 1921 vor der Uraufführung seiner drei frühen Operneinakter in Stuttgart kennenlernte. Während sich Reinacher eine Zusammenarbeit erhoffte, fand Hindemith musikalisch zunächst keinen Zugang zu den Gedichten: “Wenn ich aus einem Gedicht ein Lied machen soll, so muß es lockere Stellen haben, die vom Dichter gewissermaßen ausgespart sind, freigelassen für den Komponisten, derart, daß die Musik hier gebraucht wird. Du aber arbeitest selbst auf deine Art als Musiker, es bleibt mir kein Raum, das Eigene beizutragen…” In der Vertonung dreier Gedichte aus Reinachers Zyklus Todes Tanz, die Hindemith dann doch Anfang Januar 1922 anfertigte, schuf er sich die “lockeren Stellen” selbst, indem er dem Instrumentalsatz für zwei Bratschen und zwei Celli zwischen den Deklamationen der Singstimme breiten Raum gab. Nicht zuletzt darauf – auf den Wechsel zwischen der nach-wagnerisch satten, an Schönbergs Verklärte Nacht erinnerenden Gefühlsaura der Instrumente und einer Singstimme, die wie in Psalmkonzerten des 17. Jahrhunderts in einer Art Lamentationston geführt ist – bezieht der Zyklus seine Faszination.
Trakls Gedichte für den Zyklus Die junge Magd fand Hindemith in der Anthologienreihe Der jüngste Tag, die er regelmäßig las. Der wenige Wochen nach op. 23a geschriebene Zyklus ist das im Wort-Ton-Verhältnis geradlinigere Werk. Trakls Bilder von der Einsamkeit der bleichen Magd auf dem öden Hof und ihrer in düstere Symbole gehüllten Liebe zum Knecht werden in suggestive Klangbilder umgesetzt, die Details des Textes in Tonmalerei: die Amsel von Nr. 2 in ein Flötensolo, der mürrisch greinende Wind und der lauschende Mond von Nr. 3 in entsprechende Soli für Klarinette und Viola, der dröhnende Hammer von Nr. 4 in merkwürdig gedämpfte Akzente, das süße Bangen der Magd in Nr. 5 in Flöten-Seufzer. Die Atmosphäre erscheint im Vergleich zu den schwül-expressionistischen Bildern des Todes-Zyklus fahl-zurückgenommen, sparsam gezeichnet, wobei der Beginn den Volksliedstil der Mathis-Sinfonie vorwegnimmt.