Klaviertrio es-Moll, Hob. XV: 31 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Klaviertrio es-Moll, Hob. XV: 31

Trio es-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, Hob. XV: 31

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 910

Satzbezeichnungen

1. Andante cantabile

2. Allegro (ben moderato)

Erläuterungen

Das es-Moll-Trio, Hob. XV:31, war Haydns letztes Klaviertrio. Obwohl schon 1795 komponiert, wurde es erst acht Jahre später vom Wiener Verleger Traeg publiziert. Während die meisten Haydntrios vor 1800 noch für Cembalo oder Fortepiano annonciert wurden, erwähnt der Titel des es-Moll-Trios das Cembalo überhaupt nicht mehr: “Sonate pour le Piano Forte avec Violon & Violoncelle”.

Die Pianistin, der Haydn das Trio 1803 widmete, war eine gewisse “Mademoiselle Madelaine de Kurzbeck”, eine ebenso begabte wie charmante Musikerin aus seinem späten Wiener Freundeskreis. Komponiert wurde das Werk aber für eine ungleich virtuosere Pianistin in London: Theresa Jansen. Sie war die Tochter eines aus Deutschland eingewanderten Tanzmeisters und hatte zusammen mit ihrem Bruder bei Muzio Clementi studiert. Mit Klavier- und Tanzstunden verdiente sie in London mehr als 2.000 Pfund jährlich (nach damaliger Währung eine ungeheure Summe), denn sie galt als eine der besten Pianistinnen Englands.

Das Trio wurde ihr von Haydn zunächst anonym übersandt, und zwar in der Urfassung als Violinsonate ohne Cello, um einen geigenden Dilettanten zu ärgern, der mit Teresa Jansen musizierte. Es lohnt sich, diese Geschichte aus Haydns eigenem Munde zu hören, so wie er sie dem Landschaftsmaler Albert Christoph Dies erzählte, festgehalten in des Letzteren “Biographischen Nachrichten von Joseph Haydn nach mündlichen Erzählungen desselben” (Wien 1810). Die Geschichte geht von der damals üblichen Vorstellung aus, dass es sich bei Kammermusik für Klavier und Streicher um “begleitete” Klaviersonaten handelte:

„Haydn stand in London in genauer Bekanntschaft mit einem deutschen Musikliebhaber, der sich auf der Geige eine an Virtuosität grenzende Fertigkeit erworben, aber die üble Gewohnheit hatte, sich immer in den höchsten Tönen, in der Nähe des Steges zu versteigen. Haydn nahm sich vor, … dem Dilettanten seine Gewohnheit zu verleiden und ihm Gefühl für ein solides Spiel beizubringen. Der Dilettant besuchte oft eine Demoiselle J., die mit großer Fertigkeit das Pianoforte spielte, wozu er gewöhnlich accompagnierte. Haydn schrieb ganz in der Stille eine Sonate für das Pianoforte mit Begleitung einer Violine, betitelte die Sonate Jakobs Traum und ließ sie versiegelt, ohne Namensunterschrift, durch sichere Hände der Demoiselle J. überliefern, die auch nicht weilte, die dem Anschein nach leichte Sonate in Gesellschaft des Dilettanten zu probieren. Was Haydn vorhergesehen hatte, traf richtig ein: der Dilettant blieb immer in den höchsten Tönen, wo die Passagen überhäuft waren, stecken, und sobald Demoiselle J. dem Gedanken auf die Spur kam, dass der unbekannte Verfasser die Himmelsleiter, die Jakob im Traum sah, habe vorstellen wollen, und sie dann bemerkte, wie der Dilettant auf dieser Leiter bald schwerfällig, unsicher, stolpernd, bald taumelnd, hüpfend auf und abstieg, so schien ihr die Sache so kurzweilig, dass sie das Lachen nicht verbergen konnte, während der Dilettant auf den unbekannten Compositeur schimpfte, und dreist behauptete: derselbe wisse nicht für die Violine zu setzen. Nach fünf oder sechs Monaten entdeckte es sich erst, dass die Sonate Haydn zum Autor habe, der nun dafür von der Demoiselle J. ein Geschenk erhielt.“

Das es-Moll-Klaviertrio ist nichts anderes als die umgearbeitete Violinsonate mit dem Titel “Jacob’s Dream”, die Haydn wohl nur deshalb so lange unveröffentlicht liegen ließ, weil sich daran die besagte Londoner Anekdote knüpfte. Der zweite Satz, ein “sehr moderates” Allegro in Es-Dur, trägt tatsächlich die Überschrift “Jacob’s Dream” und enthält die gefährlichen Passagen der Himmelsleiter. Der erste Satz in der sehr seltenen Tonart es-Moll ist ein Andante mit Variationen, und zwar in Haydns Lieblingsform der sogenannten Doppelvariationen. Das Thema wird sowohl in seiner Originalgestalt in Moll als auch in einer Variante in Dur vorgestellt und wechselweise variiert. Die Durversion ist nichts anderes als die melodische Umkehrung der Originalgestalt. In der Mitte moduliert der Satz gar ins entlegene H-Dur.

Noch eine zweite, kuriose Anekdote knüpfte sich an dieses Trio, denn Haydns sprichwörtlicher Geiz und ein politischer Schachzug seines Dienstherrn Fürst Esterházy führten im Paris des Jahres 1804 zu einem kuriosen Missverständnis. Pariser Musikliebhaber lauschten damals andächtig einer Violinsonate in der tragischen Tonart es-Moll, die ihr Verleger als “Dernière Sonate”, als letzte Sonate ihres Schöpfers, angekündigt hatte. Man hielt den Komponisten (vorzeitig) für verblichen, und die Verleger taten ein Übriges, um diesen Eindruck zu unterstreichen. Bei dem unfreiwilligen Requiem handelte es sich um die Sonatenfassung von Haydns es-Moll-Klaviertrio, das er wieder einmal “exklusiv” an mehrere Verleger gleichzeitig verkauft hatte. In Paris ließ er es ohne Cellostimme als Violinsonate erscheinen, und zwar mit einer Widmung an den napoleonischen General Moreau, worum ihn Fürst Esterházy gebeten hatte. Den Gefolgsleuten Napoleons wollte man sich in politisch bewegten Zeiten auch durch Musik gefällig erweisen. Der Meister aber lebte nach der Uraufführung seines Sonaten-Requiems noch volle fünf Jahre.