Trio e-Moll für Klavier, Violine und Violoncello, Hob. XV: 12
Werkverzeichnisnummer: 903
1. Allegro moderato
2. Andante
3. Rondo. Presto
2018
Haydn in Nöten
In den Zeiten vor der Erfindung der Kreditkarte und des Dispositionskredits kamen selbst die geschäftstüchtigsten Komponisten gelegentlich in Geldnöte. Joseph Haydn, sonst als gewissenhafter Verwalter seiner Finanzen bekannt, schrieb im August 1788 nach Wien an seinen Verleger Artaria: „Da ich nun in einer Lage bin, wo ich etwas Geld brauche, so erbiethe ich mich, dass ich Ihnen bis Ende Dezember entweder 3 neue Quartetten, oder 3 neue mit einer Violin und Violoncello begleitete Claviersonaten verfertigen wolle, bitte hingegen mir künftigen Mittwoch mit unserem abgehenden Husaren 25 Specialdukaten a conto zu überschicken.“
Schon wenige Tage später konnte Haydn aus den Händen jenes Husaren, den sein Dienstherr, Fürst Nikolaus von Esterházy, eigens dafür abstellte, den regelmäßigen Nachrichtenfluss aus der Hauptstadt Wien nach Eisenstadt zu gewährleisten, die 25 Dukaten Vorschuss entgegennehmen. Beglückt schrieb er dem Absender zurück: „Mein Fleiß über die 3 anverlangte Claviersonaten mit Begleitung einer Violin und Violoncello wird Bürge seyn, Ihre Freundschaft fernerhin zu erhalten.“ Artaria hatte sich also für drei neue Klaviertrios entschieden, denn in Wien wie überhaupt im Europa der Klassik nannte man diese Gattung „Claviersonaten mit Begleitung einer Violin und eines Violoncello“. Diese Bezeichnung weist auf die damals noch untergeordnete Rolle der Streicher hin, die in Haydns Trios das Klavier tatsächlich an vielen Stellen eher begleiten, denn gleichberechtigt mit ihm zu dialogisieren. Besonders das Cello ist noch fast durchweg an die linke Hand des Klaviers gebunden.
Haydns Fleiß hielt nicht ganz, was sein Brief versprach: Mitte November waren von den Trios erst „anderthalb verfertiget“. Das letzte ging erst Ende März 1789 an den Verleger ab. Dennoch bestand der Komponist darauf, dass sie möglichst schnell veröffentlicht würden, „weil schon viele mit Schmerzen darauf warten“. Im „Clavierland“ Wien, wie Mozart die Donaumetropole einmal nannte, war die Nachfrage nach Klaviertrios besonders groß. Viele „höhere Töchter“ aus adliger oder großbürgerlicher Familie übten an den sündteuren, von ihren Vätern gekauften Hammerflügeln aus Wiener Werkstätten überaus gewissenhaft – unter der Anleitung so kompetenter Lehrer wie Mozart. Um ihre Kunst zu zeigen, waren Klaviertrios das beste Mittel, konnten die leichteren Streicherstimmen doch von den Herren der Schöpfung übernommen werden: von Brüdern, Vätern, geistlichen Abbés oder manchmal auch Musikern der kaiserlichen Hofkapelle.
Klaviertrio e-Moll
In seinen neuen Trios von 1788/89 zollte Haydn besonders der erheblich verbesserten Mechanik und Klangkultur der Wiener Flügel seinen Tribut. Um die „3 Claviersonaten“ gut zu komponieren, hatte er sich eigens einen neuen Hammerflügel bei Schatz in Wien gekauft. Der Einfluss dieses Instruments zeigt sich im e-Moll-Trio an dem reichen, gesanglichen Klavierpart. Noch ein anderer Umstand könnte den Stil dieses Werkes beeinflusst haben: Im Dezember 1788, mitten in der Arbeit am e-Moll-Trio, starb in Hamburg Carl Philipp Emanuel Bach. Vom „Sturm und Drang“ des zweitältesten Bachsohnes war Haydn zeitlebens besonders beeindruckt und beeinflusst. Dies kann man dem ersten Satz des e-Moll-Trios anhören.
Dieses Allegro moderato ist ein für Haydns Verhältnisse ungewöhnlich melancholischer Satz, mit einem düsteren, auf verminderte Septakkorde aufbauenden Hauptthema, in das sich ein wenig Mozartsche Chromatik einschleicht. Für die Ausarbeitung dieses strengen Themas benutzte Haydn kontrapunktische Techniken, besonders in der Durchführung. Andererseits mischen sich virtuose Läufe des Klaviers und Mozartische Wendungen der Melodik ins Geschehen – nicht zufällig, hatte Mozart doch gerade 1788 drei große Klaviertrios bei Artaria veröffentlicht, die pianistisch neue Wege gingen. Ein Echo dieser Werke findet sich unüberhörbar in den neuen Trios seines Freundes Haydn.
Nach dem düsteren ersten Satz wechseln die beiden folgenden Sätze ins helle E-Dur. Wie die musiktheoretischen Schriften der Zeit belegen, empfand man diese Tonart damals freilich eher als empfindsam und klagend denn als fröhlich oder unbeschwert. So ist das Andante ein sanft klagendes Siciliano, eine jener weich schwingenden „sizilianischen Weisen“, wie sie so gerne von den Streichern pizzicato begleitet werden. Die überraschenden Modulationen und Trugschlüsse im Verlauf des Satzes führen immer tiefer hinein in die Welt der „Empfindsamkeit“. Im Rondo hat Haydn dagegen fast ungehemmt der guten Laune gefrönt. Es ist ein vor Energie geradezu berstendes Presto, ein Contretanz, der wie ein Vorläufer des berühmten Rondo all’Ongarese aus seinem späten G-Dur-Trio wirkt. Nur vorübergehend werden auch hier düstere Molltöne angeschlagen.
2008
JOSEPH HAYDN bot im August 1788 seinem Verleger Artaria in Wien an, drei neue Werke zu komponieren, da er Geld brauchte. Er überließ es Artaria, zwischen Streichquartetten und Klaviertrios zu wählen; der Verleger entschied sich für Trios, weil sie sich an Musikliebhaber besonders gut verkaufen ließen. Während nämlich die Töchter der höheren Wiener Haushalte in der Regel das Forte-Piano erlernten, und zwar bei prominenten Lehrern, waren die Söhne außer mit Streichinstrumenten auch mit Reiten, Fechten usw. beschäftigt und deshalb die schlechteren Musikanten. Darauf nahmen die Komponisten Rücksicht, indem sie dem Klavier die Solostimme, den Streichern aber die Begleitung gaben. Diese Rollenverteilung war für Haydn noch selbstverständlich, denn er nannte die neuen Trios Artaria gegenüber „Claviersonaten mit Begleitung einer Violin und Violoncello“. Als Haydns op. 57 veröffentlicht, gehören sie zu seinen besten Klaviertrios. Der Komponist hatte dem Verleger versichert, sein Fleiß werde „Bürge seyn“ für die Qualität; außerdem hatte er „um die 3 Claviersonaten gut zu komponieren“, einen neuen Hammerflügel bei Schatz in Wien gekauft. Der Einfluß dieses Instruments zeigt sich im e-Moll-Trio an dem reichen, gesanglichen Klavierpart. Der 1. Satz konzentriert sich, wie bei Haydn üblich, auf die Ausarbeitung des kompakten ersten Themas. Dabei fallen Mozartsche Chromatik und „Spannungspausen“ auf. Das Andante ist ein Siciliano, von den Streichern pizzicato begleitet. Das Rondo wirkt wie ein Vorläufer des berühmten Rondo all’Ongarese aus Haydns spätem G-Dur-Trio.
2007:
Joseph Haydn
Klaviertrio Nr. 12 e-Moll
In den Zeiten vor der Erfindung der Kreditkarte und des Dispositionskredits kamen selbst die geschäftstüchtigsten Komponisten gelegentlich in Geldnöte. Joseph Haydn, sonst als gewissenhafter Verwalter seiner Finanzen bekannt, schrieb im August 1788 nach Wien an seinen Verleger Artaria: „Da ich nun in einer Lage bin, wo ich etwas Geld brauche, so erbiethe ich mich, dass ich Ihnen bis Ende Dezember entweder 3 neue Quartetten, oder 3 neue mit einer Violin und Violoncello begleitete Claviersonaten verfertigen wolle, bitte hingegen mir künftigen Mittwoch mit unserem abgehenden Husaren 25 Specialdukaten a conto zu überschicken.“ Schon wenige Tage später konnte Haydn aus den Händen jenes Husaren, den sein Dienstherr, Fürst Nikolaus von Esterházy, eigens dafür abstellte, den regelmäßigen Nachrichtenfluss aus der Hauptstadt Wien nach Eisenstadt zu gewährleisten, die 25 Dukaten Vorschuss entgegennehmen. Beglückt schrieb er dem Absender zurück: „Mein Fleiß über die 3 anverlangte Claviersonaten mit Begleitung einer Violin und Violoncello wird Bürge seyn, Ihre Freundschaft fernerhin zu erhalten.“ Artaria hatte sich also für drei neue Klaviertrios entschieden, denn in Wien wie überhaupt im Europa der Klassik nannte man diese Gattung „Claviersonaten mit Begleitung einer Violin und eines Violoncello“, wie es auch in Haydns Brief heißt. Diese Bezeichnung weist auf die damals noch untergeordnete Rolle der Streicher hin, die in Haydns Trios das Klavier tatsächlich an vielen Stellen eher begleiten, denn gleichberechtigt mit ihm zu dialogisieren. Besonders das Cello ist noch fast durchweg an die linke Hand des Klaviers gebunden.
Haydns Fließ hielt nicht ganz, was sein Brief versprach: Mitte November waren von den Trios erst „anderthalb verfertiget“. Das letzte ging erst Ende März 1789 an den Verleger ab. Dennoch bestand der Komponist darauf, dass sie möglichst schnell veröffentlicht würden, „weil schon viele mit Schmerzen darauf warten“. Im „Clavierland“ Wien, wie Mozart die Donaumetropole einmal nannte, war die Nachfrage nach Klaviertrios besonders groß. Viele der adligen oder bürgerlichen „Dilettantinnen“, die an den durchaus teuren, von den Vätern gekauften Hammerflügeln aus Wiener Werkstätten ihre Tastenkunst vervollkommneten, waren hoch professionelle Konzertpianistinnen. Um ihre Kunst zu zeigen, waren Klaviertrios das beste Mittel, konnten die leichteren Streicherstimmen doch von den Herren der Schöpfung übernommen werden: von Brüdern, Vätern, geistlichen Abbés oder manchmal auch Musikern der kaiserlichen Hofkapelle.
In seinen neuen Trios zollte Haydn besonders der erheblich verbesserten Mechanik und Klangkultur der Wiener Flügel seinen Tribut. „Um die 3 Claviersonaten gut zu komponieren“, hatte er sich eigens einen neuen Hammerflügel bei Schatz in Wien gekauft. Der Einfluss dieses Instruments zeigt sich im e-Moll-Trio an dem reichen, gesanglichen Klavierpart. Noch ein anderer Umstand könnte den Stil dieses Werkes beeinflusst haben: Im Dezember 1788, mitten in der Arbeit am e-Moll-Trio, starb in Hamburg Carl Philipp Emanuel Bach. Vom „Sturm und Drang“ des zweitältesten Bachsohnes war Haydn zeitlebens besonders beeindruckt und beeinflusst. Dies kann man auch dem ersten Satz des e-Moll-Trios anhören.
Dieses Allegro moderato ist ein für Haydns Verhältnisse ungewöhnlich melancholischer Satz, mit einem düsteren, auf verminderte Septakkorde aufbauenden Hauptthema, in das sich ein wenig Mozartsche Chromatik einschleicht. Für die Ausarbeitung dieses strengen Themas benutzte Haydn entsprechend konsequent kontrapunktische Techniken, besonders in der Durchführung. Andererseits mischen sich virtuose Läufe des Klaviers und melodische Wendungen ins Geschehen, die wiederum an Mozart erinnern – nicht zufällig, hatte Mozart doch gerade 1788 drei große Klaviertrios bei Artaria veröffentlicht. Ein Echo dieser Werke findet sich unüberhörbar in den neuen Trios seines Freundes Haydn.
Nach dem düsteren ersten Satz wechseln die beiden folgenden Sätze ins helle E-Dur. Wie die musiktheoretischen Schriften der Zeit belegen, empfand man diese Tonart damals freilich eher als empfindsam und klagend denn als fröhlich oder unbeschwert. So ist das Andante des Trios ein sanft klagendes Siciliano, eine jener aus dem Barock stammenden, weich schwingenden „sizilianischen Weisen“, wie sie so gerne von den Streichern pizzicato begleitet werden. Die überraschenden Modulationen und Trugschlüsse im Verlauf des Satzes führen immer tiefer hinein in die Welt der „Empfindsamkeit“. Im Rondo hat Haydn dagegen fast ungehemmt der guten Laune gefrönt. Es ist ein vor Energie geradezu berstendes Presto, ein Contretanz, der wie ein Vorläufer des berühmten Rondo all’Ongarese aus seinem späten G-Dur-Trio wirkt. Freilich mischen sich auch hier düstere Mollepisoden ins Bild.