Klaviertrio D-Dur, Hob. XV:24 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Klaviertrio D-Dur, Hob. XV:24

Trio D-Dur für Klavier, Violine und Violoncello, Hob. XV:24

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 898

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante

3. Allegro ma dolce

Erläuterungen

Als der Wiener Landschaftsmaler Albert Christoph Dies den alten Haydn aufsuchte und ihn in langen „Interviews“ zu seinem Leben und seiner Kunst befragte, tischte ihm der Meister so manche überraschende Anekdote auf. Die junge DIes dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als ihm Haydn ein kleines Bändchen aus Londoner Tagen in die Hand drückte: die Abschrift englischer Briefe, offenbar von einer Frau an den Komponisten gerichtet und von liebender Zuneigung förmlich überquellend. Lächelnd klärte Haydn das Geheimnis auf: „Briefe einer englischen Witwe in London, die mich liebte; aber sie war, ob sie gleich schon 60 Jahre zählte, noch eine schöne und liebenswürdige Frau, die ich, wenn ich damals ledig gewesen wäre, sehr leicht geheiratet hätte.“

In Wahrheit zählte Rebecca Schroeter, die Witwe des wichtigsten Londoner Pianisten nach Johann Christian Bach, ganze 40 Jahre, als sie Haydn 1791 kennen lernte. Von ihrem ersten Gatten zur fähigen Pianisten ausgebildet, nahm sie bei dem berühmten Gast vom Kontinent vertiefenden Unterricht. Die Folge war eine rasch aufkeimende Liebe, die sich in eben jenen 21 Briefen niederschlug. „Mein liebster Haydn, ich fühle für Sie die tiefste und zärtlichste Zuneigung, deren das menschliche Herz fähig ist“ etc. etc. Wäre Haydn nicht schon verheiratet gewesen und hätte zuhause in Esterháza außer seiner Ehefrau nicht auch noch eine Geliebte mit gewissen Versorgungsansprüchen auf ihn gewartet, er hätte es auf eine dauerhafte Bindung zu der schönen Londonerin ankommen lassen.

Die Liaison, von der man nicht weiß, wie weit sie tatsächlich ging, reichte noch bis in seinen zweiten Londoner Aufenthalt 1794/95 hinein. Ihre wertvollste Frucht sind die drei Klaviertrios Nr. 24 bis 26, die zu Haydns schönsten zählen. Sie erschienen im Oktober 1795 im Druck, erst knapp zwei Monate, nachdem Haydn das Land endgültig verlassen hatte. Vielleicht wagte er erst nach seinem endgültigen Abschied von London eine offene Widmung an „Madame Schroeter“, deren Begeisterung für den Gast den Londonern kaum verborgen geblieben sein dürfte. Es war ein gleichermaßen edles wie unsentimentales „Adieu“ an die Geliebte: drei Trios von nobelstem Zuschnitt, deren Klavierpart genau auf die pianistischen Fähigkeiten der Rebecca Schroeter zugeschnitten war. Ob die beiden diese Werke auch im Unterricht oder bei ihren privaten „Mußestunden“ miteinander durchgegangen sind, wissen wir nicht. Indizien zur Datierung verraten, dass Haydn an der Trias zwischen Januar und Mai 1795 gearbeitet hat.

Bis heute stehen das erste und dritte Trio dieser Serie im Schatten des zweiten, des berühmten „Zigeunertrios“ in G-Dur. Während Letzteres zum Standardrepertoire aller Klaviertrios weltweit gehört, ist es um die beiden Schwesterwerke relativ still geblieben – unverdientermaßen. Die ersten Sätze der Trios in D und fis gehören zu Haydns großartigsten Kammermusiksätzen in Sonatenform.

Das D-Dur-Trio beginnt mit einem Tusch! Der erste kräftige Akkord lässt einen robusten Kopfsatz erwarten. Stattdessen folgt ein ungewöhnlich lyrisches, für Haydns Verhältnisse melodisch weit ausholendes Thema, das, von Fermaten unterbrochen, mit chromatischen Zwischentönen und brillanten Klavierpassagen angereichert ist. Haydn nahm sich hier den Stil seines verstorbenen Freundes Mozart zum Vorbild, dessen Klaviertrios er den Londoner Verlegern mit Nachdruck empfahl. In diesem Satz hat er ihm ein klingendes Denkmal gesetzt, wie auch die vielen dramatischen Dur-Moll-Wechsel verraten. Purer Haydn ist dagegen die konsequente thematische Arbeit: Die ersten sechs Noten des Hauptthemas prägen in ständiger Metamorphose den ganzen Satz. Sie werden von D-Dur nach F-Dur versetzt, im Seitenthema mit Triolen angereichert, in der Durchführung in wundervolle, frühromantische Harmonien getaucht.

Auf den langsamen Satz haben Haydns schottische Liedbearbeitungen abgefärbt. Es ist ein düsteres d-Moll-Andante im Siciliano-Rhythmus, der hier aber keine italienischen Züge trägt, sondern sich mit dem Balladenton Schottlands verbindet. Der strenge Duktus dieses Satzes geht am Ende unversehens in das freundliche Finale über, so als sei letzteres nur eine Dur-Variation des Andantes. Dem entspricht, dass auf das fröhlich schlendernde Rondothema ein herber d-Moll-Einschub folgt, der zur Stimmung des Mittelsatzes zurücklenkt. Am Ende behält doch die Eleganz des Hauptthemas die Oberhand. Sollte Haydn ein musikalisches Porträt der Rebecca Schroeter in diesen Trios versteckt haben, man würde es am ehesten in diesem Satz vermuten.