Quartett F-Dur für zwei Violinen, Viola und Violonello, op. 77,2; Hob. III: 82
Werkverzeichnisnummer: 869
1. Allegro moderato
2. Menuet. Presto
3. Andante
4. Finale. Vivace assai
Haydns späte Streichquartette op. 71, 74, 76 und 77 fielen in eine Zeit des sozialen Niedergangs in Österreich. In Folge der Revolutionskriege mit Frankreich konnte sich der Hochadel nicht mehr – wie noch in den 1780er Jahren – Hauskapellen leisten, um Opern- und Oratorienaufführungen in seinen Palais zu veranstalten. Das musikalische Mäzenatentum beschränkte sich auf kleinere Ensembles, besonders Streichquartette, die mit der Dienerschaft besetzt wurden. Für sie bestellten die aus Ungarn, Böhmen oder Österreich stammenden Adligen Opera von je sechs Quartetten, für deren Aufführung sie ein meist zweijähriges Exklusivrecht erwarben. Erst danach durfte sie Haydn an die Verleger verkaufen.
Op. 71, 74 und 76 sind auch heute noch nach den Mäzenen, die sie bestellt haben, als Apponyi- bzw. Erdödy-Quartette benannt. Daß die beiden Werke des Opus 77 nicht nach ihrem Auftraggeber Lobkowitz-Quartette heißen, hängt damit zusammen, daß Haydn verzweifelt versuchte, auch für Fürst Joseph von Lobkowitz den bestellten Sechserzyklus zustandezubringen. Doch blieb die Arbeit mitten im 3. Quartett, dem unvollendeten op. 103, stecken. Lobkowitz – ein Misanthrop, der das Treiben vor seinem Palais stundenlang durch einen Spiegel zu beobachten pflegte – schien dennoch die beiden 1799 vollendeten Quartette als die seinen anzusehen. Erst 1802 konnten sie – wenn auch unentgeltlich – als op. 77 gedruckt werden. Sie blieben Haydns letztes vollendetes Quartettopus.
Das F-Dur-Quartett, op. 77, 2, ist in jeder Hinsicht ein Werk der Reife. Es wirkt im Ausdruck abgeklärt, in der Formensprache souverän, dabei mit ungebrochener Experimentierlust entworfen. Der 1. Satz ist ein Sonatensatz, dessen kantables Hauptthema sich versteckt auch im Seitenthema wiederfindet. Bemerkenswert ist die lange Durchführung, die die Arbeit mit den Motiven auf ungeahnte Höhepunkte führt. Das Menuett ist vor den langsamen Satz gezogen; es spottet seinem Namen durch einen Rhythmus, der alle Gesetze des Dreiertaktes aufzuheben scheint – Beethovens Scherzi sind nicht mehr weit. Das Andante ist ein mit souveräner Freiheit angelegter Variationensatz, bei dem sich zwischen das Thema und die drei Variationen immer längere und freiere Überleitungen drängen. Im Finale überwand Haydn das Modell des tänzerischen “Kehraus” früherer Quartette durch ein Vivace voller sforzati und in einem wild-energischen Rhythmus, der unmißverständlich Beethovens Quartette op. 18 ankündigt.