Streichquartett Es-Dur, op. 33,2; Hob. III: 38 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Streichquartett Es-Dur, op. 33,2; Hob. III: 38

Quartett Es-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 33,2; Hob. III: 38

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 856

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato cantabile

2. Scherzo

3. Largo sostenuto

4. Presto

Erläuterungen

Der Staatsbesuch des Großfürsten Paul in Wien war ein diplomatisches und künstlerisches Großereignis. Mozart hoffte kurzzeitig, seinen Idomeneo als Festoper zu diesem Anlass in Wien vorstellen zu können, musste dann aber hinter Gluck zurücktreten, der das Opernprogramm komplett dominierte – mit der deutschen Iphigenia auf Tauris, der Alceste und dem Orfeo. Auch an Bällen und Konzerten mangelte es nicht, um den Sohn der Zarin Katharina zu beeindrucken. Denn Kaiser Joseph II. war auf dem besten Wege, eine (politisch fatale) Allianz mit der Zarin einzugehen.

Auch Joseph Haydn durfte seinen Beitrag zum Festprogramm leisten: Am ersten Weihnachtsfeiertag veranstaltete der Kaiser ein Privatkonzert zu Ehren des hohen Gastes, bei dem ein neues Quartett von Haydn erklang – zweifellos eines der Quartette Opus 33. Als die gesamte Serie später in der ersten Wiener Gesamtausgabe der Haydn-Quartette herauskam, trugen die Quartette den Vermerk „dédiés au gran Duc de Russie“. Eine förmliche Widmung an den Großfürsten ist dem Erstdruck der Quartette zwar nicht zu entnehmen, Haydn dürfte bei jenem Konzert aber eine Handschrift des Opus dem hohen Gast als Widmungsexemplar überreicht haben. Diesem Umstand verdanken die Quartette ihren Beinamen „russische Quartette“. Es ist nicht der einzige populäre Übertitel der Quartette Opus 33, die man auch „Gli Scherzi“ oder „Scherzoquartette“ nennt, weil Haydn hier zum ersten Mal in der viersätzigen Anlage des Streichquartetts das übliche Menuett durch ein Scherzo ersetzt hat – Vorboten der Scherzi Beethovens, wenn auch wesentlich knapper als Letztere.

Berühmt ist Opus 33 noch aus einem anderen Grund: Als der Komponist die Quartette Ende 1781 seinem aus Mainz stammenden Verleger Artaria übersandte, behauptete er, sie seien „auf eine ganz neue, besondere Art“ geschrieben. Man weiß, dass der Handwerkersohn Haydn in seinem Geschäftsgebaren nicht zimperlich war und solche Verlautbarungen wie „ganz neu und besonders“ gerne als Parolen zur Werbung in eigener Sache einsetzte. In diesem Fall freilich schien hinter der Formulierung mehr zu stecken als nur eine geschickte Marketing-Strategie. Nahezu ein Jahrzehnt hatte Haydn in der wichtigsten Gattung seiner Kammermusik geschwiegen, seit er 1772 seine kunstvollen Quartette Opus 20 herausgebracht hatte. Das Jahrzehnt dazwischen hatte er der Sinfonie und der Opera buffa gewidmet – Genres, die im Opus 33 unüberhörbar ihre Spuren hinterließen. Statt komplexen Kontrapunkts und eines bizarren „Sturm und Drang“ wie im Opus 20 herrscht hier ein freies Changieren zwischen Heiterkeit und Ernst, zwischen strengem Quartettsatz und quasi-sinfonischen Effekten. Alles wirkt gesanglich und virtuos, im Zusammenspiel so frei wie möglich, in der Wirkung zündend und eingängig. Rührende Themen, dramatische Einbrüche und witzige Pointen folgen unvermittelt aufeinander und führen zu einer Vermischung der Stilebenen. Die Sonatenform, in den Kopfsätzen voll ausgeprägt, ist mit Finten und Pointen gespickt, ebenso die Rondoform der Finali.

Quartett Es-Dur, op. 33,2

Nur eines der sechs Quartette aus Opus 33 führt in Deutschland einen populären Beinamen: das „Vogelquartett“ Opus 33 Nr. 3. Die Briten haben noch ein zweites Werk mit einem Spitznamen bedacht: das Es-Dur-Quartett, genannt „the Joke“, „der Witz“. Das quirlige Finale dieses Werkes endet nämlich mit einem der berühmtesten Beispiele für Haydns unbezwingbaren Hang, seine Zuhörer aufs Glatteis zu führen. Offenbar mussten die Engländer über diesen „joke“ so herzhaft lachen, dass diesem Quartett im Inselreich der Erfolg bis heute treu geblieben ist.

Im einleitenden Allegro moderato ist man von den witzigen Pointen des Finales noch weit entfernt. Der Zusatz cantabile weist Spieler wie Zuhörer darauf hin, dass man es mit einem besonders gesanglichen Satz zu tun hat. Schon das erste Thema ist ein echtes, italienische Cantabile über arioser Begleitung. Zwar spaltet der erste Geiger ein Motiv seines Solos ab und scheint mit ihm spielen zu wollen, danach kehrt er jedoch unversehens zum sanften Cantabile zurück. Alle Teile des Satzes werden von den Motiven des Hauptthemas und seinem gesanglichen Duktus geprägt. Nur ein paar vorwitzige Staccato-Triolen bringen eine kurze Aufregung in den ruhig strömenden Gesang. Der Satz endet in sanft verhauchendem Piano.

Nach so viel weicher Italianità regte sich in Haydn unwillkürlich der Übermut: Das Scherzo steht an zweiter Stelle, vor dem langsamen Satz, und hebt mit bäuerlich zupackenden Doppelgriffen an. „Dem derben Bauerntanz folgt im Trio-Teil eine von der Violine I mit viel Portamento und Glissando zu spielende Ländler-Melodie; sie gehört zu den bezauberndsten, die Haydn geschrieben hat.“ (Georg Feder)

Das Largo sostenuto beschert dem Bratschisten ein seltenes Vergnügen: Er darf, nur vom Cello begleitet, das Thema anstimmen, ein sanftes Arioso in B-Dur im ruhigen Dreiertakt, mit Trillern verziert. Erst im neunten Takt übernimmt der Primarius die Führung und wiederholt das Thema im Duett mit dem zweiten Geiger, während der Cellist unruhige Sechzehntel ins Spiel bringt. Aus Letzteren entwickelt sich unversehens ein stürmischer Kontrastteil in g-Moll mit Fortissimo-Akkorden, Sforzato-Synkopen und flehenden Einwürfen der beiden Geiger. Auch die Wiederkehr des lyrischen Themas, nun vom zweiten Geiger gespielt, wird von unruhigen Läufen überlagert. Es kommt zu einem zweiten dramatischen Ausbruch, bevor sich gegen Ende des Satzes die Sechzehntel endlich beruhigen.

Für das Presto-Finale fiel Haydn ein quirliges Thema im Tanzrhythmus einer Giga ein, ein echter „Ohrwurm“, den sich sein Freund Mozart besonders gut einprägte: Im Finale des zweiten „Preußischen Quartetts“ KV 589 erinnerte sich Mozart 1790 an Haydns Thema, das er auf meisterliche Weise abwandelte. In beiden Finali ist das Prinzip das Gleiche: Mit den vier Bausteinen des Themas – kurze Phrasen von je zwei Takten Länge – jongliert der Komponist auf virtuose Weise. Haydn pickte sich sämtliche Zwei-Ton- und Drei-Ton-Motive aus seinem Thema heraus, um ihnen im Lauf des Satzes alle möglichen Pointen abzulauschen. Den Schluss des quirligen Satzes aber hat er durch einen Adagio-Einschub und vier Generalpausen ins schier Endlose gedehnt. Die vier Teile des Themas erklingen zwar nacheinander, aber durch die Generalpausen getrennt. Dabei ist Vorsicht geboten: Man sollte auf keinen Fall zu früh klatschen, denn die letzte Phrase wird nach drei Takten (!) Generalpause noch einmal wiederholt! Zweifellos war es dieser witzige Schluss, der dem Quartett den Beinamen „the Joke“ eintrug. Ob auch der russische Großfürst ob dieser österreichischen Unbotmäßigkeit gelacht hat?

Nur eines der sechs Quartette aus Opus 33 führt in Deutschland einen populären Beinamen: das „Vogelquartett“ Opus 33 Nr. 3. Die Briten haben noch ein zweites Werk mit einem Spitznamen bedacht: das Es-Dur-Quartett, genannt „the Joke“, „der Witz“. Das quirlige Finale dieses Werkes endet nämlich mit einem der berühmtesten Beispiele für Haydns unbezwingbaren Hang, seine Zuhörer aufs Glatteis zu führen. Offenbar mussten die Engländer über diesen „joke“ so herzhaft lachen, dass diesem Quartett im Inselreich der Erfolg bis heute treu geblieben ist.

Der erste Satz, Allegro moderato, hebt mit einem munter voranschreitenden Thema an, das cantabile gespielt werden soll, also „singend“. Die Fassade eines „singenden Allegro“ im galanten Stil hat Haydn anfänglich gewahrt, wobei er den charakteristischen Auftakt aus zwei Sechzehnteln, der das Thema eröffnet, zu allerlei Motivspielereien nutzte. Erst ein cholerischer Ausbruch der ersten Violine im Fortissimo reißt die heile Welt eines Konversationsstücks auf. In der Durchführung werden das Thema und sein Auftaktmotiv in abseitige Mollregionen geführt und kontrapunktisch aufgefächert. Wieder münden sie in eine stürmische Triolenepisode, so dass sich der Gleichmut des Anfangs erst mit der Reprise erneut einstellt. Hier freilich wirken die kontrapunktischen Techniken der Durchführung noch nach, das Auftaktmotiv beherrscht den Rest des Satzes bis hin zum lakonisch knappen Schluss im verhauchendem Piano.

Nach so viel weicher Gesanglichkeit regte sich in Haydn unwillkürlich der Übermut: Das Scherzo steht an zweiter Stelle und hebt mit bäuerlich zupackenden Doppelgriffen an. „Dem derben Bauerntanz folgt im Trio-Teil eine von der Violine I mit viel Portamento und Glissando zu spielende Ländler-Melodie; sie gehört zu den bezauberndsten, die Haydn geschrieben hat.“ (Georg Feder)

Das Largo sostenuto beschert dem Bratschisten ein seltenes Vergnügen: Er darf, nur vom Cello begleitet, das Thema anstimmen, ein sanftes Arioso in B-Dur im ruhigen Dreiertakt, mit Trillern verziert. Erst im neunten Takt übernimmt der Primarius die Führung und wiederholt das Thema im Duett mit dem zweiten Geiger, während der Cellist unruhige Sechzehntel ins Spiel bringt. Aus Letzteren entwickelt sich unversehens ein stürmischer Kontrastteil in g-Moll mit Fortissimo-Akkorden, Sforzato-Synkopen und flehenden Einwürfen der beiden Geiger. Auch die Wiederkehr des lyrischen Themas, nun vom zweiten Geiger gespielt, wird von unruhigen Läufen überlagert. Es kommt zu einem zweiten dramatischen Ausbruch, bevor sich gegen Ende des Satzes die Sechzehntel endlich beruhigen.

Für das Presto-Finale fiel Haydn ein quirliges Thema im Tanzrhythmus einer Giga ein, ein echter „Ohrwurm“, den sich sein Freund Mozart besonders gut einprägte: Im Finale des zweiten „Preußischen Quartetts“ KV 589 erinnerte sich Mozart 1790 an Haydns Thema, das er auf meisterliche Weise abwandelte. In beiden Finali ist das Prinzip das Gleiche: Mit den vier Bausteinen des Themas – kurze Phrasen von je zwei Takten Länge – jongliert der Komponist auf virtuose Weise. Haydn pickte sich sämtliche Zwei-Ton- und Drei-Ton-Motive aus seinem Thema heraus, um ihnen im Lauf des Satzes alle möglichen Pointen abzulauschen. Den Schluss des quirligen Satzes aber hat er durch einen Adagio-Einschub und vier Generalpausen ins schier Endlose gedehnt. Die vier Teile des Themas erklingen zwar nacheinander, aber durch die Generalpausen getrennt. Dabei ist Vorsicht geboten: Man sollte auf keinen Fall zu früh klatschen, denn die letzte Phrase wird nach drei Takten (!) Generalpause noch einmal wiederholt! Zweifellos war es dieser witzige Schluss, der dem Quartett den Beinamen „the Joke“ eintrug. Ob auch der russische Großfürst ob dieser österreichischen Unbotmäßigkeit gelacht hat?