Quartett C-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 50,2; Hob. III: 45
Werkverzeichnisnummer: 836
1. Vivace
2. Adagio
3. Menuetto (Allegretto)
4. Vivace assai45
Im vierten Kapitel seiner Haydn-Biographie von 1812 (Le Haydine ovvero Lettere su la Vita e le Opere del celebre Maestro Giuseppe Haydn) kam der Italiener Giuseppe Carpani auf die Vorbereitungen zu sprechen, die der Maestro unternahm, um sich des Morgens in die rechte Komponierlaune zu versetzen: „Er musste sich zuerst mit aller Eleganz frisieren und sich kleiden, als wenn er ausgehen wollte. Dazu gehörte auch ein Ring, den ihm König Friedrich von Preußen geschenkt hatte. Mehrfach gestand Haydn, dass ihm keine einzige Idee einfiel, wenn er vergaß, dieses Juwel über den Finger zu streifen, dass ihm gleichsam seine kreative Vene austrocknete ohne dieses Zeichen der Wertschätzung einer so bedeutenden Persönlichkeit.“ Da Carpani seine Erkenntnisse zahllosen Gesprächen mit dem alten Haydn in Wien verdankte, kann man seiner Erzählung trauen. Freilich irrte der Italiener in den dynastischen Verhältnissen des hohenzollernschen Hauses. Tatsächlich hatte Friedrich der Große nichts mit Haydn im Sinn. Es war sein Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II., der nach seiner Thronbesteigung 1786 Haydn mit dem besagten Ring ehrte, nachdem dieser ihm sechs Sinfonien nach Berlin geschickt hatte. Der Meister bedankte sich königlich: mit der Widmung von sechs neuen Streichquartetten, die er 1787 komponierte und noch im selben Jahr als Opus 50 veröffentlichte. Sie heißen seitdem „Preußische Quartette“ wie Mozarts zwei Jahre später entstandene Werke für den Cello spielenden Preußenkönig. Im Gegensatz zu seinem Salzburger Freund stellte Haydn das Instrument des Königs jedoch nicht demonstrativ in den Vordergrund, sondern räumte ihm nur gelegentliche kleine Soli ein.
Das C-Dur-Quartett aus Opus 50 beginnt mit einem nervös drängenden Vivace im Dreiertakt. Das Hauptthema irritiert durch Synkopen und unerwartete Halbtonschritte. Daraus wird „ein großer, komplexer und wild erregter thematischer Abschnitt gebildet“ (Ludwig Finscher). Das Seitenthema wirkt danach umso eingängiger – eine Hommage an Mozarts singenden Stil. Die Durchführung „bringt ein großes Fugato über das Kopfthema und einen obligaten Kontrapunkt, dann über die Umkehrung des Themas.“
Dem Adagio ist anzuhören, dass sich Haydn Mitte der 1780er Jahre vor allem mit italienischen Opern beschäftigte, die er für das wieder erbaute Opernhaus in Esterháza einzurichten hatte. Der Primarius spielt als „Primadonna“ eine schöne Arienmelodie, die er an mehreren Fermaten „a suo piacere“, ganz nach Belieben, auszieren kann. In Menuett und Trio spielte Haydn mit einem Dreiklangsthema und seiner Umkehrung, wobei es im Trio drei Anläufe braucht, bis die Musik wirklich in Gang kommt. Das Finale, ein typischer Haydnscher Contretanz mit repetierten Achteln im rasenden Tempo Vivace assai, lässt im Seitenthema eine Vorahnung von Mozarts Zauberflöte hören: Das „Auf Wiedersehen“ der drei Damen im Quintett des ersten Aktes könnte sich Mozart bei seinem Freund Haydn abgelauscht haben.