Streichquartett C-Dur, op. 20,2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Streichquartett C-Dur, op. 20,2

Quartett C-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 20,2; Hob. III: 32

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 834

Satzbezeichnungen

1. Moderato

2. Adagio

3. Menuetto (Allegretto)

4. Allegro

Erläuterungen

“In Nomine Domini”, im Namen des Herrn, begann Joseph Haydn 1772 die Niederschrift seiner Streichquartette Opus 20 und beendete sie mit dem Dank an den “allmächtigen Gott” und die “allerseligste Jungfrau Maria”. Das Autograph dieser Quartette, das der leidenschaftliche Autographensammler Johannes Brahms 1885 erwarb und der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien vermachte, bezeugt wie kaum eine andere Handschrift die Gottesfürchtigkeit des Komponisten: Jedes der sechs Quartette beginnt “In Nomine Domini” und endet mit einer jeweils eigenen Schlussformel: “Laus omnipot: Deo” (Lob dem allmächtigen Gott) oder auch “Laus Deo et Beatissima Virgini Maria”. Die Schlussformeln zeugen von der Frömmigkeit eines Musikers, der ein bedeutendes Werk zuerst Gott widmen will, bevor es unter die Menschen kommt. In ähnlicher Weise hatte Haydn seine größten geistlichen Werke vor 1770, die “Caecilienmesse” und das “Stabat Mater”, als Votivgaben verstanden. Nach dem Abschluss seiner neuen Quartette im Sommer 1772 muss sich der 40jährige Komponist bewusst gewesen sein, mit diesem Opus alle seine bisherigen Werke an Kunstfertigkeit, Vielfalt und Dichte in den Schatten gestellt zu haben.

Wie in den Schlussformeln zeigt sich dies besonders in den Schluss-Sätzen. Mit je einer Doppel-, Tripel- und Quadrupelfuge sowie einem fugiert ansetzenden g-Moll-Allegro packte Haydn in diese Finali das Maximum an Kunstfertigkeit hinein, was im Genre des galanten “Divertimento a quattro” noch möglich war. Obwohl er diesen altertümlichen Titel für das Streichquartett hier noch einmal verwendete, hat er ihn doch gerade in Opus 20 ad absurdum geführt. Mit diesem einen Werk wurde aus dem galanten Dialog von vier Streichern zum eigenen Plaisir das moderne Streichquartett als Inbegriff kompositorischer Kunstfertigkeit und Konzentration.

Opus 20,2 in C-Dur beginnt noch traditionell – mit Formeln, wie man sie in den Wiener Triosonaten eines Fux, Tuma oder Gluck finden kann. Dieser “gehende” Barockduktus löst sich zwar bald in galanten Dialog auf, das frühklassische “Divertimento a quattro” bleibt aber zunächst unangetastet. Erst die folgenden drei Sätze entziehen dem vertrauten Genre geselligen Wiener Kammermusizierens den Grund. Als Adagio fungiert ein “Capriccio” im pathetischsten c-Moll, in dem sich Unisonopassagen und Rezitativgesten zu einem instrumentalen “Recitativo accompagnato” voller Opera seria-Pathos paaren, das später einem Arioso mit frei schweifenden Violinsoli Platz macht. Der Haydn der großen Mollarien aus dem “Stabat mater” und der Caecilienmesse ist hier nicht weit. Das attacca anschließende Menuett spielt mit dem “Hirtenklang” der leeren G-Saite auf den Violinen. Am kapriziösesten ist das Finale mit seiner “Fuga a 4 soggetti”. Es handelt sich um eine Quadrupelfuge im Sechsachteltakt, die mit traditionellem Fugenpathos gründlich aufräumt. Anstelle seriös entwickelter vier Themen hören wir eine “kapriziöse, atemberaubend schnell und witzig mit allen Raffinessen der Fugentechnik umspringende Finalfuge, die ihren modernen Charakter in der doppelten Coda – erst in wirbelnden Sechzehnteln, dann in dröhnendem Unisono – ganz zu erkennen gibt” (Ludwig Finscher).

Joseph Haydn
Quartett C-Dur, op. 20,2

Die sechs Streichquartette Opus 20, die Haydn 1772 komponierte, gelten als seine ersten Meisterwerke in dem neuen Genre. Fast zehn Jahre trennen sie vom Opus 33, dem Auftakt zu den klassischen Quartettzyklen der 1780er Jahre, weshalb man versucht ist, sie noch als „vorklassisch“ zu bezeichnen. Eher handelt es sich um ein experimentelles Konzept vom Streichquartett, wie es zum Stil der 1770er Jahre passt. Johannes Brahms gehörte zu den vielen Bewunderern dieser überaus kunstvollen Quartette: Haydns Originalhandschrift befand sich in seiner Autographensammlung.

Im Kopfsatz des C-Dur-Quartetts hat man das Musterbeispiel eines „singenden Allegro“ vor sich, das scheinbar von keinem Schatten getrübt wird. Umso expressiver gebärdet sich der zweite Satz, ein Capriccio, das den freien Fantasien für Klavier nacheifert, aber auch von der Opera seria beeinflusst ist: Ein pathetisches Uni-sono in c-Moll eröffnet eine Art Grabesszene, ein tief trauriges Duett zwischen Cello und erster Geige, das immer wieder von den punktierten Rhythmen des imaginären Orchesters unterbrochen wird. Nach diesem instrumentalen Sprechgesang folgt in tröstlichem Es-Dur ein Cantabile der ersten Violine zur Begleitung der Unterstimmen: Auf das Rezitativ folgt gleichsam die Arie. In Menuett und Trio wiederholt sich der Hell-Dunkel-Kontrast der ersten beiden Sätze, während das Finale eine veritable Fuge ist, und zwar über vier verschiedene Themen. Der besondere Clou des Satzes liegt in der Dynamik: Die Fuge verharrt bis kurz vor Schluss im Piano, nur die letzten Takte reißen die vier Spieler aus ihren esoterischen Spielereien und lassen sie in einer jubelnden Stretta alle vier Themen zusammenführen.