Quartett B-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 1,1; Hob. III: 1
Werkverzeichnisnummer: 827
1. Presto
2. Menuett o- Trio
3. Adagio
4. Menuetto – Trio
5. Presto
Das Streichquartett hat die naive Experimentierfreude seiner frühen Jahre erst nach und nach gegen den hohen Anspruch der schwierigsten Kompositionsgattung eingetauscht. Es galt keineswegs „von jeher“, wie der Haydn-Biograph Ferdinand Pohl meinte, als „die keuscheste, edelste Musikgattung“, sondern hat sich diesen sublimen Charakter, „der sicherste Prüfstein gediegener Componisten“ (Pohl) zu sein, erst allmählich erworben. Diesen Entwicklungsgang dokumentiert das heutige Programm und zeigt zugleich, wie beinahe zufällig die Gattung entstanden ist.
„Ein ganz zufälliger Umstand“ führte, nach eigener Aussage, Joseph Haydn zum Streichquartett. Es waren die geselligen Musikabende, die Karl Joseph Edler von Fürnberg in seinem Landschlößchen in Weinzierl nahe Stift Melk in Niederösterreich abhielt. Haydn, damals noch ein junger Musiker von Anfang zwanzig, spielte in dem Hausquartett Fürnbergs die Bratsche; die beiden Violinen wurden von dem Pfarrer des Ortes und dem Hausverwalter Fürstenbergs, das Cello von einem gewissen Albrechtsberger traktiert, der aber mit dem Wiener Komponisten gleichen Namens nicht verwandt war. „Das erste Quartett, das hier Haydn auf Anregung Fürnbergs für dessen Haus componirte, fand sogleich so lebhaften Anklang, daß der überglückliche junge Mann dadurch angeeifert wurde, in dieser Gattung weiterzuarbeiten, und so entstanden in kurzen Zwischenräumen die ersten 18 Quartette“ (Pohl). Die Haydn-Forschung hat diese Zahl zwar mittlerweile auf 10 reduziert, doch genügt diese erste Gruppe von Quartetten (das Opus 1 und 2), um die frühe Meisterschaft des Komponisten in dem Genre zu dokumentieren. „Diese ersten Quartette zeigen, bei aller Einfachheit, doch bereits eine so sichere Factur, wie sie nur durch dauernde vorangegeangne Studien erworben werden konnte.“ (Pohl) Deshalb nahm Ignaz Pleyel die Jugendquartette seines Lehrers zu recht 18 in die erste Gesamtausgabe aller Haydn-Quartette auf, obwohl der Komponist selbst seine Streichquartette erst ab op. 9 hattte zählen wollen.
Seit der Pleyel-Ausgabe führt das B-Dur-Quartett die symbolische Opuszahl Op. 1, 1. Wie alle frühen Quartette zeigt es im Aufbau noch die fünf Sätze des österreichischen Divertimento: Zwei schnelle Ecksätze umrahmen zwei Menuette, die wiederum ein Adagio in ihre Mitte nehmen. Letzteres bildet auch inhaltlich die „Mitte“ des Quartetts, einen kantablen Ruhepunkt innerhalb der oft genrehaft kessen Ecksätze und der Tänze. Das einigermaßen bekannte Anfangsthema des Opus 1, 1 etwa ist eine stilisierte Jagdfanfare, wie sie noch Mozart in seinem B-Dur-Quartett (dem „Jagdquartett“) verwenden sollte. Im übrigen gilt für dieses Stück, was der Haydn-Forscher Ludwig Finscher für die gesamte Serie der frühen Quartette formulierte:
Joseph Haydn
Sechs Quartette Opus 9
1769 veröffentliche der Verlag Hummel in Amsterdam „Six Quatuors à deux violons, taille et basse“, komponiert von einem gewissen „Giuseppe Haydn“. Ohne den Komponisten zu fragen, widmete der Verleger seine Ausgabe einem reichen holländischen Plantagenbesitzer in Paramaribo und wählte für die Serie die Opuszahl 7. Noch war der Komponist dieser Streichquartette zu wenig bekannt, als dass man auf seine Wünsche hätte Rücksicht nehmen müssen. Die Hummelsche Ausgabe (wie üblich in vier Einzelstimmen ohne Partitur) wurde rasch von den Verlegern in den beiden Weltstädten der Musik aufgegriffen: Longman in London druckte sie 1771 ebenfalls als Opus 7. Im Jahr darauf erschien die Pariser Ausgabe von Huberty, nun als Opus 9 – eine Zählung, die der Komponist übernahm.
Auf dem Titelblatt des Pariser Opus 9 konnte man immerhin erfahren, dass jener „Monsieur J. Haydn“ Kapellmeister beim Fürsten Esterházy war. Nach der Heirat das Dauphin mit der Österreicherin Marie-Antoinette musste man sich in Paris an die Namen der österreichisch-ungarischen Hocharistokratie gewöhnen. Da kamen Streichquartette eines Österreichers in Ungarn gerade recht, zumal Haydn schon mit diesen frühen Quartetten ein durchschlagender Erfolg gelang. Er hat das Opus 9 später als sein erstes vollgültiges Opus von Streichquartetten betrachtet.