Violinkonzert C-Dur, Hob. VII a,1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Violinkonzert C-Dur, Hob. VII a,1

Konzert C-Dur für Violine und Orchester, Hob. VII a,1

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 812

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Adagio

3. Finale. Presto

Erläuterungen

Als Komponist von Solokonzerten hat Joseph Haydn nie besonderen Ehrgeiz entwickelt, obwohl er deren etliche geschrieben hat, besonders in seiner Zeit am Hofe des Fürsten Esterházy in Ungarn. Wie jeder musikalische Potentat des 18. Jahrhunderts erwartete auch Nikolaus „der Prachtliebende“ – so sein vielsagender Beiname –, dass die Solisten seines Hoforchesters sich regelmäßig in Solo- oder Doppelkonzerten produzierten. Deshalb schrieb der junge Haydn um 1765 für seine Orchesterkollegen Konzerte für Flöte, Oboe, Horn, Violine und Violoncello, jeweils mit kleinem Orchester. Sie waren zur Aufführung in Eisenstadt und der Sommerresidenz Esterháza bestimmt. Leider sind viele von ihnen verloren gegangen, so dass sich neben den frühen Cembalokonzerten nur zwei Streicherkonzerte erhalten haben: das C-Dur-Cellokonzert und das C-Dur-Violinkonzert.

„Fatto per il Luigi“ hat Joseph Haydn über sein C-Dur-Violinkonzert geschrieben, zu Deutsch: „Gemacht für den Alois“. Luigi Tomasini war der italienische Konzertmeister des Fürsten Esterházy und von diesem hoch geschätzt. Als Haydn um 1765 sein C-Dur-Konzert für ihn schrieb, war er noch keine 25 Jahre alt und schon ein vollkommener Virtuose. Mit Haydn teilte der Geiger aus Pesaro nicht nur die musikalische Begabung, sondern auch die Neigung zu spontanen Späßen. So ließen die beiden Musiker einmal in Anwesenheit von Kaiserin Mara Theresia absichtlich ihre Saiten reißen, um das Podium verlassen zu können. Es handelte sich nämlich um eine Aufführung eines gemischten Ensembles aus Profis und Laien, sprich: adligen Dilettanten. Die Kaiserin saß direkt hinter Haydn und flüsterte ihrem Nachbarn zu, was wohl passieren würde, wenn man die Herren Adligen mit der Musik alleine lassen würde. Also kam Haydn auf den Einfall, einen Saitenunfall zu simulieren und flüsterte dies auch Tomasini zu. Fast gleichzeitig ließen beide Musiker ihre Saiten reißen, einer der adligen Herren freilich reichte Haydn seine eigene Violine, so dass er hätte weiterspielen können. Also musste Haydn auch noch theatralisch ein Nasenbluten vortäuschen, damit der Trick gelang. Spätestens in dem Moment, als die adligen Musiker alleine auf dem Podium saßen und die Musik kläglich auseinanderbrach, durchschaute die Kaiserin die Komödie und fing herzlich an zu lachen. Dass die düpierten Adelsherren nachher auf Haydn und Tomasini nicht gut zu sprechen waren, versteht sich von selbst. Doch die Beiden standen unter dem Schutz des mächtigen ungarischen „Paladins“ Esterházy.

Haydns C-Dur-Konzert legt von Tomasinis Virtuosität beredtes Zeugnis ab, ebenso von seinem wunderschönen kantablen Spiel. Schon im Streichervorspiel des einleitenden Allegro moderato herrschen die kantablen Manieren des „galanten Stils“ vor: lombardische Rhythmen, weiche, „weibliche“ Endungen, singende Phrasen. Zusammengehalten werden diese Figuren durch das prägnante Hauptthema mit seinem klaren C-Dur-Dreiklang. Die Sologeige greift es in Doppelgriffen auf und leitet alsbald zu virtuosen Passagen über, in denen auffällig die hohen Lagen bevorzugt werden, was damals im Violinkonzert noch keineswegs selbstverständlich war. Zehn Minuten währt der ausgiebige Dialog zwischen Solovioline und Streicher im ersten Satz.

Hätte man den Fürsten Esterházy gefragt, was er an Haydn besonders schätzte, so wäre er sicher auf die empfindsamen Adagio-Melodien seines Kapellmeisters zu sprechen gekommen. Eine solche enthält auch das Adagio des C-Dur-Violinkonzerts, freilich erst nach einer spektakulären Einleitung: Die Sologeige steigt über pochenden Achteln der Streicher die gesamte C-Dur-Tonleiter in die Höhe – wie die Sonne an einem Sommermorgen oder wie die Engel auf der Jakobsleiter. Zweifellos hatte Haydn ein solches Bild vor Augen, als er diese „Tonleiter“ schrieb. Denn nach dem Aufstieg öffnet sich gleichsam der Himmel: Die Solovioline spielt eine himmlisch schöne Melodie über dem Pizzicato des Streichorchesters. Am Ende dieser dreiminütigen Arie erhält der Solist die Gelegenheit zur Kadenz. Natürlich schließt danach wieder die aufsteigende Tonleiter den Satz.

Das Finale ist ein munterer Tanz im Dreiertakt, wie er in den 1760er Jahren als Konzertfinale noch üblich war. Zwischen den Tanzmelodien der Streicher ließ Haydn seinen Konzertmeister in wahrhaft brillanten Passagen glänzen, von denen manche an die Violinkonzerte eines Vivaldi oder Tartini denken lassen. Übrigens wurde Haydns C-Dur-Konzert erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und gleichzeitig jene Geige, auf der es von Tomasini einst gespielt wurde. Sie befand sich noch 1909 im Besitz der Familie, nämlich beim Urenkel Carl Tomasini, der damals als Konzertmeister in Neustrelitz wirkte. Die Tomasinis waren eine echte Geigerfamilie.