Triosonate c-Moll für Flöte, Violine und Basso continuo, aus Musicalisches Opfer, BWV 1079
Werkverzeichnisnummer: 76
1. Largo
2. Allegro
3. Andante
4. Allegro
2000
JOHANN SEBASTIAN BACH schrieb 25 Jahre nach den Zelenkasonaten seinen letzten Beitrag zum Genre Triosonate – für keinen Geringeren als Friedrich den Großen und über ein von diesem erfundenes Thema. In dem 1747 veröffentlichten Musicalischen Opfer ist die Sonata sopr’il soggetto reale, die „Sonate über das königliche Thema“, das längste Stück, eine Verneigung Bachs vor dem Flötenspieler von Sanssouci.
Eine Triosonate über ein königliches Thema war selbst im Barock etwas Außergewöhnliches. Bach schildert in der Widmungsvorrede selbst die näheren Umstände, die im Mai 1747 in Potsdam dazu führten: „Mit einem ehrfurchtsvollen Vergnügen erinnere ich mich annoch der ganz besondern Königlichen Gnade, da vor einiger Zeit, bey meiner Anwesenheit in Potsdam, Ew. Majestät selbst, ein Thema zu einer Fuge auf dem Clavier mir vorzuspielen geruheten, und zugleich allergnädigst auferlegten, solches alsobald in Deroselben höchsten Gegenwart auszuführen. Ew. Majestät Befehl zu gehorsamen, war meine unterthänigste Schuldigkeit. Ich bemerkte aber gar bald, daß wegen Mangels nöthiger Vorbereitung, die Ausführung nicht also gerathen wollte, als es ein so treffliches Thema erforderte. Ich fassete demnach den Entschluß, und machte mich sogleich anheischig, dieses recht Königliche Thema vollkommener auszuarbeiten, und sodann der Welt bekannt zu machen.“
Friedrich dürfte mit Bach zufrieden gewesen sein, denn der König war stolz auf seine Inspirationen und liebte es, sie „der Welt bekannt zu machen“. Knobelsdorff hatte den Plan zum Berliner Opernhaus mit einem Hinweis zu versehen, dass die Idee dazu vom König selbst stammte. Den Grundriss für Sanssouci gab Friedrich seinem Architekten minutiös vor, er schrieb Vorlagen für Berliner Opernlibretti, ließ seine Gedichte von Voltaire redigieren und entwarf für Potsdam Hausfassaden. Bach handelte also in weiser Voraussicht, wenn er „den Ruhm eines Monarchen zu verherrlichen“ trachtete, der als Musikkenner galt, indem er sein „recht Königliches Thema der Welt bekannt machte“. Dass Friedrich dieses Thema Bach nicht nur zum Zwecke des Ex-Tempore-Spiels aufgab, darf vorausgesetzt werden. Er erwartete wohl ein schriftliches Huldigungswerk über das Thema, was Bach auch prompt versprach. Durch die Presse wurde dieses Versprechen publik, so dass Bach in Zugzwang geriet. Schon im September 1747 ging das fertige Musicalische Opfer nach Potsdam ab. Es war ein wohlproportionierter Ruhmestempel, bestehend aus zwei Fugen, zehn Kanons und einer Triosonate „über das königliche Thema“. Für das höfische Konzert gedacht war freilich nur die Triosonate, die alleine in Stimmen ausgedruckt war. Der Rest war Musiktheorie in Noten.
In den vier Sätzen der Sonata hat der alte Bach in raffinierter Weise dem Geschmack des Königs gehuldigt. Die empfindsame Klangkombination von Flöte, Violine und Cello ersetzt hier die robusen Barockklänge der Zelenkasonaten, darüberhinaus ist auch der Stil selbst empfindsam. Im ersten Satz hört man über einem gleichmäßigen Bass (hinter dessen Tönen sich das königliche Thema verbirgt) einen beredten Dialog zwischen Flöte und Violine. Wie in einer gelehrten Konservation scheinen sie alle Aspekte ihres Themas beleuchten zu wollen. Die Melodik ist durch rhetorische Exclamationes, durch Triller und Schleifer gleichsam emotionalisiert, womit Bach auf die Vorliebe Friedrichs für Verzierungen anspielte (der König schrieb selbst Verzierungen zu Opernarien für seine Sänger).
Der zweite Satz ist eine monumentale Ausarbeitung des königlichen Themas im dreifachen Kontrapunkt. Ein schnelles Fugenthema wird von der Violine vorgestellt, von der Flöte aufgegriffen und mit einem Kontrapunkt verbunden, dann mit dem königlichen Thema im Cello kombiniert. Die drei Themen werden im Mittelteil in ihren Oktavlagen vertauscht und in Motive aufgespalten. Endlich erscheint das königliche Thema im königlichen Instrument, der Flöte, womit die Reprise eingeleitet wird. Für den dritten Satz hat die exaltierte Melodik der Berliner Hofkomponisten um Friedrich II. Pate gestanden. Bachs eigener Sohn Carl Philipp war der Hauptvertreter dieses Stils, den sein Vater nicht ohne Ironie imitiert zu haben scheint: allzu manieriert wirken die Seufzerfiguren, die Toccato-Bässe und die Schwelldynamik dieses Satzes. Im Finale hat Bach das Thema regium in eine fugierte Gigue voller rhythmischer Tücken verwandelt. Mindestens an diesem Satz wäre der Flötist Friedrich II. gescheitert, denn der König war bekannt dafür, dass er das Tempo nicht halten konnte, und rhythmisch war er keineswegs so sattelfest wie auf dem Schlachtfeld.
Karl Böhmer