“Es bläst der Nord” für Violine und Klavier
Werkverzeichnisnummer: 769
1996
Chinesische Melodien für Violine und Klavier
Anfang unseres Jahrhunderts reisten die großen Geigenvirtuosen Europas mit Programmen wie dem heutigen durch die Konzertsäle der Welt. “Melodien”, effektvoll arrangiert und der jeweiligen persönlichen Manier angepaßt, bildeten den Inhalt von Abenden, die den Zuhörer direkt emotional ansprachen, ohne den Umweg über einen klassizistischen Kunstbegriff zu gehen. Auf einer ähnlichen Wirkungsebene bewegen sich die chinesischen Melodien, die Liu Yuxi mit Klavierbegleitung vorträgt – uralte Zeugnisse ostasiatischer Folklore, die vor dem Hintergrund tonaler Harmonik zu Kabinettstücken der Geigenliteratur werden.
WUNDERBARE NACHT ist eine der berühmtesten Weisen für den Erhu, die zweisaitige Kniegeige der chinesischen Tradition, die Keiner meisterhafter zu spielen verstand als Liu Tianhua. Der Erhu-Virtuose, Begründer der modernen chinesischen Volksmusik und Onkel von Liu Yuxi, improvisierte diese Melodie am Silvesterabend 1928 bei einer Feier mit Studenten der Pekinger Universität. “In der wunderschönen Melodie herrschen eine wohlige Atmosphäre und echtes Gefühl” (Liu Yuxi).
ELEGIE komponierte Liu Tianhua 1927 unter dem Eindruck der bedrückenden politischen Zustände in seinem Land als eine Art Klage des Volkes. Neuartige Elemente sind die in China sehr seltene Halbtonskala und die unstabile Tonart.
PASTORALE beruht auf einem Volkslied der Ostmogolei, in dem weidende Schafherden mit den weißen Wolken am blauen Himmel verglichen werden.
BLUMEN UND DER JUNGE geht auf eine Form usueller, d. h. bei der Arbeit gesungener Musik zurück, auf den sog. Huaer. “Huaer” heißt im Chinesischen eigentlich Blume; im musikalischen Zusammenhang bezeichnet es eine Form von Wechselgesang bei der Feldarbeit. Der Huaer der Provinz Qinghai hat die vier Jahreszeiten zum Thema und wird von Jungen und Mädchen im Wechsel gesungen. Die Schönheit der Landschaft, aber auch die Liebe kommen in diesem munteren und humorvollen Lied zur Sprache.
LATERNENFEST schildert die Feierlichkeiten des gleichnamigen Volksfestes, das nach dem chinesischen Mondkalender stets am Abend des 15. Januar gefeiert wird. Die Menschen in Nordchina bewundern dabei die bunten Laternen und tanzen fröhlich, um die Ernte zu feiern. Bei Jie und Qi Renfa haben diese Vorgänge in einer Banhu-Weise geschildert (Banhu ist ein traditionelles Streichinstrument Chinas), das Liu Yuxi für die Violine bearbeitet hat.