"Aus Holbergs Zeit", op. 40 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Edvard Grieg

"Aus Holbergs Zeit", op. 40

“Aus Holbergs Zeit”, Suite für Streichorchester, op. 40

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 734

Satzbezeichnungen

1. Prelude. Allegro vivace

2. Sarabande. Andante

3. Gavotte. Allegretto – Musette. Poco più mosso

4. Air. Andante religioso

5. Rigaudon. Allegro con brio

Erläuterungen

2004
EDVARD GRIEG
Suite Aus Holbergs Zeit, op. 40

Jede europäische Nation hat ihre Symbolgestalt für den Spätbarock. Für die Franzosen ist es das Louis Quinze, die Epoche Ludwigs XV., für die Portugiesen die große Zeit König Joao V., für die Deutschen die Bachzeit und für die Engländer die Ära des Premierministers Horace Walpole. In Norwegen ist es der Dichter Ludvig Holberg, den die gesamte Nation mit jener Zeit identifiziert. Der große Sohn der Stadt Bergen wurde 1684 geboren, ein Jahr vor Bach und Händel, und drückte als Philosoph, Dichter und Humorist der Epoche seinen Stempel auf.

Als seine Heimatstadt 1884 seinen 200. Geburtstag feierlich beging, trug der damals berühmteste Bewohner Bergens, Edward Grieg, mit einer Kantate für Männerchor und einer Klaviersuite zum Gelingen des Jubiläums bei. Auf einer Reise nach Berlin instrumentierte Grieg die Klaviersuite Aus Holbergs Zeit für Streichorchester. Es wurde eines seiner bis heute populärsten Werke, das er gleichwohl nicht mochte. Dennoch gilt die Suite neben den Streicherserenaden von Dvorak und Tschaikowsky als das dritte große Werk der Spätromantik für Streichorchester.

Was Grieg hier mit den Mitteln des romantischen Streicherklangs wiederbelebte, war die spätbarocke Orchestersuite mit ihren französischen Tanzformen. Er benutzte vier der beliebtesten Barocktänze, Sarabande, Gavotte, Musette und Rigaudon, denen er ein Praeludium voranstellte und eine Air beigab.

Das Präludium hat nichts anderes im Sinn, als festliche Stimmung zu verbreiten. Aufsteigende Skalen im punktierten Rhythmus erinnern an die französischen Ouvertüren des Barock. Darauf folgt als erster Tanzsatz die langsame Sarabande, die hier aller barocken Erdenschwere beraubt ist und träumerisch-süß daherkommt, besonders im Mittelteil mit seiner Bratschen-Melodie. Die Gavotte dagegen verwandelt den typischen Zwei-Viertel-Auftakt dieses Tanzes in geradezu unverschämt gute Laune, und auch die folgende Musette, ein Tanz, der dem Dudelsack seinen Namen verdankt, ist an rustikaler Eingängigkeit nicht zu übertreffen.

Als lyrischen Kontrapunkt ließ Grieg eine Air in g-Moll folgen, einen melancholischen Gesang, den er als “religiöses Andante”, sprich: als Gebet bezeichnete. Zweifellos dachte er dabei an die Air aus der 3. Orchestersuite von Bach, das auch heute noch berühmteste Beispiel einer barocken Air.

Den delikaten Schlusspunkt setzt ein Ridaudon, ein schneller Tanz mit charakteristischem Auftakt aus Viertel-Zwei-Halben. Unter Griegs Händen verwandelt sich dieser Rhythmus in ein duftiges Rondo zu Pizzicato-Begleitung mit sanftem g-Moll-Mittelteil.