Quintett, op. 42 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Zdenek Fibich

Quintett, op. 42

Quintett D-Dur für Violine, Klarinette, Horn, Violoncello und Klavier, op. 42

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 637

Satzbezeichnungen

1. Allegro non tanto

2. Largo

3. Scherzo. Con fuoco e feroce

4. Allegro con spirito

Erläuterungen

Neben Bedrich Smetana und Antonin Dvorak galt Zdenek Fibich im späten 19. Jahrhundert als der dritte große Komponist der national-tschechischen Schule, ein Platz, den ihm erst Leos Janacek zu Beginn unseres Jahrhunderts streitig machte. Das Schattendasein, das er seitdem in den Konzertprogrammen führt, ist auch ein Ergebnis der Diskriminierung, die die national-tschechische Musikbewegung den deutsch orientierten Komponisten ihres Landes entgegengebracht hat. Denn im Gegensatz zu dem volksverbundenen Tschechen Dvorak verkörperte der virtuose Pianist und polyglotte Kunstkenner Fibich das deutsche Bildungsbürgertum im damaligen Böhmen. Der in Vs’ebo~ice geborene Sohn eines Auerspergischen Forstbeamten hatte seine Studien in Wien begonnen und in Leipzig und Mannheim, u. a. bei Ignaz Moscheles, vollendet. Als musikalisches Wunderkind, das bereits mit 15 mehr als 50 Werke komponiert hatte, bevorzugte er anfangs in seinen Liedern deutsche Texte und wandte sich erst allmählich der national-tschechischen Opernbewegung zu, zu der er Musikdramen (Der Sturm, Sarka u. a.), vor allem aber bedeutende Melodramen beitrug. Eine Vorliebe für Stoffe aus der Weltliteratur und der deutschen Klassik anstelle der üblichen tschechischen Dorf- und Märchengeschichten, das Beharren auf der deutschen Form seines Vornamens Zdenko und der eher internationale als tschechische Charakter seiner Symphonik sind weitere Indizien für Fibichs deutsche oder besser westliche Orientierung, die im Klima des sich verschärfenden Nationalismus unseres Jahrhunderts notwenig untergehen mußte. Heute von einer Fibich-Renaissance zu sprechen, wäre sicher verwegen; doch einzelne seiner Werke haben ohne Zweifel stärkere Beachtung verdient.

Dies gilt insbesondere für das Klavierquintett D-Dur, op. 42. Es fällt durch seine seltene Besetzung mit Klarinette, Horn, Violine, Violoncello und Klavier aus dem Rahmen der Gattung und kann als eines der ansprechendsten Werke tschechischer Spätromantik in der Kammermusik gelten. Die Charaktere der vier Sätze erinnern auffallend an den späten Dvorak: ein volkstümlich schlichtes Allegro im Dreiertakt als Einleitung, ein gesangliches Largo im mediantischen ~Dur, ein d-Moll-Scherzo “mit wildem Humor” (S divok’ym humorem), wie die Überschrift besagt, sowie ein ausladendes Finale im Alla breve-Takt mit den typischen punktierten Rhythmen vieler Dvorak-Finali. Trotz dieser Ahnlichkeit in der Gesamtanlage ist doch der Unterschied zwischen beiden Komponisten deutlich. So volkstümlich sich Fibichs Themen geben, sind sie doch stets von einem “leicht süßlichen melodischen Idiom” (John Tyrrell) geprägt, das man als internationale Spätromantik, nicht als typisch tschechisch bezeichnen muß. Der melodische Reichtum des Werkes bleibt dennoch bemerkenswert; weitere für den Komponisten typische Züge sind die betont weiche Behandlung der Bläser, besonders des Horns (in den beiden Trios des Scherzos), und die Neigung zu ununterbrochener Modulation.

Im Gegensatz zu seinen anderen Kammermusikwerken, die Fibich als junger Komponist schrieb, ist das Quintett ein Spätwerk aus dem Jahre 1893. Es hängt eng mit dem zentralen Werk seines Oeuvres zusammen: dem Tagebuch. In 376 kurzen Stücken mit dem Titel Stimmungen, Impressionen und Erinnerungen beschreibt dieser Klavierzyklus die Liebe zu seiner Kompositionsschülerin und Librettistin Anezka Schulzova bis hin zu konkreten erotischen Schilderungen ihres Körpers. Sechs dieser Stücke präsentierte der Komponist Anezka zu ihrem Geburtstag 1893; im gleichen Jahr verwendete er thematisches Material daraus für das Quintett – in einer kaum noch zu enträtselnden Art der persönlichen Anspielung.