Klavierquartett Nr. 1 c-Moll, op. 15 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Gabriel Fauré

Klavierquartett Nr. 1 c-Moll, op. 15

Quartett Nr. 1 c-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, op. 15

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 630

Satzbezeichnungen

1. Allegro molto moderato

2. Scherzo. Allegro vivo – Trio

3. Adagio

4. Finale. Allegro molto

Erläuterungen

In den Jahrzehnten nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen 1871 sprossen in Paris die Sociétés, Musikgesellschaften verschiedenster Couleur, wie Pilze aus dem Boden. Die einen beschäftigten sich mit der Musik für Bläser, die anderen mit Alter Musik, die wichtigste mit der französischen Nationalmusik als solcher. Die Gründung dieser Société nationale de Musique hatte segensreiche Auswirkungen vor allem auf die Kammermusik in Frankreich, die zwischen 1820 und 1870 förmlich zum Erliegen gekommen war. In einem Akt nationaler Selbstbehauptung nahmen es Camille Saint-Saëns und seine Kollegen nun in die Hand, für die Kammermusik ihrer Nation ein eigenes, den Deutschen trotzendes Profil zu entwickeln.

Zum Star dieser Bewegung wurde Gabriel Fauré. Der sensationelle Uraufführungserfolg seiner ersten Violinsonate in der Société nationale 1877 begründete seinen Ruf und die spätromantische Kammermusik in Frankreich. Bis 1923 schuf er neun weitere große Kammermusikwerke, unter denen die beiden Klavierquartette herausragen. Sie dokumentieren die Emanzipation Frankreichs in einer Gattung, die damals von deutschen Vorbildern – den Klavierquartetten eines Mendelssohn, Schumann und Brahms – beherrscht wurde.

Fauré nahm das erste Klavierquartett unmittelbar nach seiner ersten Violinsonate 1876 in Angriff, konnte es jedoch nach verschiedenen Unterbrechungen erst 1883 beenden. Sein Vorbild war das 1875 in der Société nationale uraufgeführte Klavierquartett von Saint-Saëns. Faurés Freund und Mentor hatte dieses Werk als Aufforderung an die jungen Komponisten verstanden, der „Musique germanique“ in einer ihrer Domänen Gleichwertiges entgegenzusetzen. Dies gelang dem jüngeren Fauré eben mit seinem c-Moll-Quartett, op. 15. Es ist bezeichnend für die reservierte Haltung Frankreichs gegenüber der Kammermusik um 1880, dass dieses Meisterwerk erst im dritten Anlauf einen Verleger fand!

Es besteht aus den auch in der deutschen Romantik üblichen vier Sätzen, wobei das Scherzo vor den langsamen Satz gerückt ist – eine Gepflogenheit, die man auch im 1875 veröffentlichten 3. Klavierquartett von Brahms antrifft. Dieses c-Moll-Werk hat Faurés Quartett unüberhörbar beeinflusst, was man besonders am Kopfsatz ablesen kann. Er wird ganz vom Hauptthema im punktierten Rhythmus beherrscht, das Violine und Viola zu Beginn in sehr gemäßigtem Allegrotempo vorstellen. Typisch französisch daran ist nicht nur der tänzerische Rhythmus, sondern auch der Anklang an die dorische Kirchentonart. Das Thema wird in der üblichen Sonatenform mit Durchführung, Reprise und Coda verarbeitet.

Erst mit dem zweiten Satz kündigt sich der neue Ton des Impressionismus an, als dessen Vater Fauré in die Geschichte eingehen sollte. Es handelt sich um ein Scherzo „von einnehmender Leichtigkeit“, wie der Fauré-Biograph Robert Orledge bemerkte: „Pizzicato-Akkorde der Streicher bilden den Hintergrund für das atemlos-luftige Thema. Es wird in einfachen Noten im Klavier vorgestellt und kann sich zwischen c-Moll und Es-Dur nicht recht entscheiden. Nach verschiedenen Durchführungen kommt das Scherzo zu einem Schlusspunkt; eine ziemlich respektlose Überleitung des Klaviers führt zu einem lyrischen Choral der gedämpften Streicher, einer Art halbernstem Trio. Denn das Klavier bleibt bei seinen flapsigen Kommentaren und hält so die Leichtigkeit des Scherzos durchweg aufrecht.“

Das Adagio des Opus 15 haben zahlreiche Kenner als den Höhepunkt von Faurés erster Schaffensperiode bezeichnet. „Nachdenklich und schön, mal verhalten, mal kraftvoll verlangt es von Interpreten und Zuhörern gleichermaßen ein Maximum an Konzentration. Das kurze Hauptthema gehört mit seiner akkordischen Begleitung zusammen; eine kurze Modulation leitet zum Seitenthema über, einem längeren, flehenden Thema über einer wiegenden Klavierbegleitung. Die Reprise des Hauptthemas verbreitet ein Gefühl von unterdrückter Passion, von Widerstand gegen den alles überwältigenden Schmerz, der erst in der Coda zur Ruhe kommt. Das Seitenthema wandert im Klavier zu ausgehaltenen Streicherakkorden höher und höher, bis es sich in einen Schauer fallender Arpeggios auflöst, wie eine Kaskade aus Sternen.“ (Robert Orledge)

Die Hauptthemengruppe des Finales besteht aus einem aufsteigenden Bratschenthema, das von einem eruptiven Tutti mit gleichsam gezackten Rhythmen beantwortet wird. Der dramatische Dialog der beiden Motive wird von dem lyrischen Seitenthema unterbrochen, das die Bratsche im mixolydischen Kirchenton anstimmt.