"Psyché", op. 75 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Manuel de Falla

"Psyché", op. 75

Kantate für Sopran, Flöte, Harfe, Violine, Viola und Violoncello, op. 75, “Psyché”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 622

Satzbezeichnungen

Andante molto tranquillo e sostenuto

Erläuterungen

FALLA, MANUEL DE, geb. 1876 in Cádiz, gest. 1946 in Alta Gracia, Argentinien, spanischer Komponist. “Mit seinen älteren Zeitgenossen Albéniz und Granados einer der ersten spanischen Komponisten seit drei Jahrhunderten mit internationalem Ruf und der begabteste von den Dreien.” (E. Franco) Stammte aus einer katalanischen Familie. (Sein letztes Werk, das Oratorium “Atlántida” auf katalanischen Text ist eine Verherrlichung der Entdeckung Amerikas.) Studierte in Madrid und Paris. Dort 1913 Uraufführung seiner bekanntesten Oper “La vida breve”. Lebte später in Granada in einem intellektuellen Freundeskreis (u. a. Lorca). Litt schwer unter dem Spanischen Bürgerkrieg und folgte deshalb einer Einladung nach Argentinien. Berühmte Werke: “Der Dreispitz” (UA 1919 in London mit Bühnenbildern von Picasso), “Nächte in spanischen Gärten”.

Manuel de Falla schuf seine kleine Kantate “Psyché” 1924 in Granada – als Huldigung an die andalusische Stadt aus dem Geiste des Rokoko. Schon die Partitur des Stückes ahmt in Format und Erscheinungsbild französische Notendrucke des frühen 18. Jahrhunderts nach. In einem “Avertissement” wendet sich der Komponist außerdem an eine hochgestellte Widmungsträgerin – auf Französisch, in den typischen devoten Wendungen und sogar im Schriftbild solcher Widmungen der Zeit. Dort lüftet er auch den Grund für die Stilmaskerade, die bereits vor den Noten beginnt: “Da ich mich erinnerte, daß Philipp V. und seine Gattin Isabella Farnese um 1730 im Palast der Alhambra wohnten, stellte ich mir beim Komponieren dieser Psyché ein kleines höfisches Konzert vor, das im Boudoir der Königin stattfand, das wir ‘tocador de la Reina’ nennen, und das, in einem hohen Turm gelegen, einen überwältigenden Ausblick bietet. Das Innere dieses Raumes ist im Stil jener Epoche ausgeschmückt, meine Musik hat sich bemüht, dem nahe zu kommen, und es ist nur ganz natürlich, daß die Damen der Königin singen und spielen über ein damals sehr ehrenwertes mythologisches Thema. Wenn Sie in diesem Werke nicht die wirkliche Musik des spanischen Hofes zu Beginn des 18. Jahrhunderts finden, so können Sie wenigstens das anerkennen, wovon ich träumte…” Es folgen weitere Devotionsformeln des “très humble, très obeissant et très fidèle serviteur” Manuel de Falla!
In der Tat wirkt die Musik der Kantate wie ein Traum von 18. Jahrhundert durch die Brille des französischen Neoklassizismus. Flöte und Streicher ergeben ein durchaus zeitgerechtes Kolorit, doch die Harfe ersetzt das Cembalo, die Flöte wird am Ende in Höhen geführt, die eine Hofdame auf der barocken Traversflöte kaum mehr hätte ausführen können, Triller und arabeske Verzierungen sind mehr nachempfunden als stilecht. Nur das Thema des knapp achtminütigen Stückes erinnert unmittelbar an eine der langsamen und melancholischen Cembalosonaten des Wahlspaniers D. Scarlatti. Das “sehr ehrenwerte mythologische Thema” des Textes erzählt der französische Dichter Jean Aubry als Selbstgespräch der Nymphe Psyche, die gerade durch ihre Neugier die Liebe des Gottes Amor verspielt hat. Die Lampe, mit der sie sein Inkognito gelüftet hat, ist verloschen. Sie betrachtet im Spiegel ihre Tränen und versucht, sich mit der aufgehenden Sonne und der Schönheit des Frühlings zu trösten.