Terzetto für zwei Violinen und Viola, op. 74
Werkverzeichnisnummer: 600
1. Introduzione. Allegro ma non troppo
2. Larghetto
3. Scherzo. Vivace
4. Tema con variazioni. Poco adagio
So wichtig für Dvorak die die Kammermusik mit Klavier auch immer war – sein ureigenstes Metier jedoch, das Genre, in dem er sich ganz zuhause fühlte, blieb die reine Streicherkammermusik. Seine 14 Streichquartette, die „Zypressen“, seine drei bzw. vier Streichquintette und das Sextett legen davon beredtes Zeugnis ab. Vielleicht hing dies mit seiner eigenartigen Genese als Komponist und Musiker zusammen. Der Sohn eines Metzgers und Gastwirts im kleinen Nelahozeves in Mittelböhmen musste seine Zeit mit anderem zubringen als mit Musizieren: „Seht dort hin auf die verschiedenen Dörfer!“, rief der Meister bei einem Spaziergang zu den Stätten seiner Jugend später aus: „In diese Orte pflegte ich mit meinem Vater Rinder kaufen zu gehen, und wenn mir der Vater so ein Tier anvertraute, das mir in seinem Übermut davonlief oder mich ohne weiteres in den Teich schleifte, war ich nicht zu beneiden. Aber all diese Leiden meines jungen Lebens versüßte mir die Musik, mein Schutzengel.“ Die bitter-arme Jugend Dvoraks, seine musikalischen Anfänge in der Dorfschule und Dorfkirche, die Jahre in der Orgelschule Prag mit den ersten Gehversuchen in einer 20 Mann starken Tanzkapelle – all dies schwingt in seiner Streichermusik noch nach, in den scheinbar so naiven Themen, den mitreißenden Tanzrhythmen und selig singenden Melodien. In den abgeklärten späten Streicherwerken hören wir immer noch den Dvorak, der in einer Prager Irrenanstalt zum ersten Mal Streichsextette spielte. Dvorak vertraute stets darauf, der liebe Gott werde ihm „schon auch einige Melodien zuflüstern“. Doch dieser göttliche Funke hat ihn lange genug mitten in der Härte des Lebens angeweht.
Die liebenswürdigsten Zeugnisse für Dvoraks lustvollen Umgang mit den Streicherklängen, ihren Bogen-, Pizzicato- und Doppelgriffkünsten, sind die beiden Zyklen von „Kürzest-Stücken“ für zwei Violinen und Bratsche, die er 1887 geschrieben hat: zum einen die „Drobnosti“, op. 75a, aus denen die „Romantischen Stücke“ für Violine und Klavier hervorgingen, zum anderen das „Terzetto“, op. 74. Erst wenn man diese Sätze gehört hat, dieses ätherische, basslose Schmachten dreier hoher Streichinstrumente in berückend schönen Klangfarben, weiß man, was Dvorak ist. „Ich schreibe jetzt kleine Bagatellen, denken Sie, nur für zwei Violinen und Viola. Die Arbeit freut mich ebenso sehr, als wenn ich eine große Sinfonie schriebe.“ Diese Sätze an Simrock sind ein kleines Credo des „tschechischen Musikanten“ Dvorak. Was er fürs häusliche Musizieren mit seinen Freunden komponierte – Werke, von denen er wusste, dass sie überall auf dem Land in Tschechien gespielt werden würden -, das erfüllte ihn mit ebenso großem Stolz wie die Monumentalwerke seines öffentlichen, internationalen Wirkens. „Sie sind freilich mehr für Dilettanten gedacht, aber hat Beethoven und Schumann auch nicht einmal mit ganz kleinen Mitteln geschrieben und wie?“ Dieses „und wie!“ steckt hinter jedem Takt des Terzettos. Dvorak wollte beweisen, was man mit begrenzten Mitteln erreichen kann: kein ausgiebiges Sonatenallegro zu Beginn, sondern eine charmante Einleitung, eine Art Vorwort zum melodisch wunderschönen Adagio. Das Scherzo, ein Furiant mit einem Ländler als Trio, wirkt so volkstümlich, als sei es gerade auf dem nächsten Tanzboden gespielt worden. Und im Finale hat Dvorak die Variationenform auf den kürzesten Nenner gebracht.