Streichquintett G-Dur, op. 77 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonin Dvorák

Streichquintett G-Dur, op. 77

Quintett G-Dur für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass, op. 77

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 589

Satzbezeichnungen

1. Allegro con fuoco – Più mosso

2. Scherzo. Allegro vivace – Trio. L’istesso tempo, quasi allegretto

3. Poco andante – L’ istesso tempo

4. Finale. Allegro assai

Erläuterungen

Antonin Dvorak hat drei Streichquintette geschrieben, die alle drei an charakteristischen Punkten seiner Karriere stehen: das a-Moll-Quintett von 1861 war sein Opus 1, das G-Dur-Quintett von 1875 das erste mit einem Kompositionspreis ausgezeichnete Stück, das Es-Dur-Quintett von 1893 eines der amerikanischen Spätwerke im Umkreis der Sinfonie aus der Neuen Welt.

Nur für das G-Dur-Werk wählte er die Besetzung mit Streichquartett und Kontrabaß, die zwar seltener ist als die Quintettbesetzungen mit zwei Celli bzw. zwei Bratschen, die aber dennoch seit dem späten 18. Jahrhundert zu den geläufigen Varianten des Streichquintetts zählte. Dem jungen Dvorak ging es offenbar darum, ein Streichquartett mit zusätzlichem Baßfundament zu schreibe, eine Art solistischer Streichersinfonie, als die man sein G-Dur-Quintett auffassen kann. Er komponierte es zur gleichen Zeit wie die 5. Sinfonie und die Serenade für Streichorchester; außerdem bearbeitete er den fünften Satz des Werkes, der vor der Drucklegung gestrichen wurde, für Streichorchester (Notturno H-Dur, op. 40). Daran kann man seine Absichten ablesen.

In der erst 1888 als Opus 77 gedruckten viersätzigen Fassung stellt sich das Werk als ganz traditionelles Kammermusikstück aus Sonatenallegro, Scherzo, Adagio und Rondofinale dar. Doch schon der erste Satz sprengt den kammermusikalischen Rahmen in orchestraler Weise. Er ist fast vollständig aus dem Motiv der Einleitung entwickelt, das im Stil einer sinfonischen Dichtung leitmotivisch verwendet wird. Nicht zufällig erinnern die Harmonik und der “Orchester”-Satz häufig an Wagner und Liszt, von deren Einfluß sich Dvorak 1875 noch nicht gelöst hatte. Andererseits werden erstes und zweites Thema in betont einfacher Weise vorgestellt, “im Volkston”, den Dvorak in diesem Werk besonders betont hat.

Der tschechische Volkston wird im Scherzo zum beherrschenden Charakteristikum. Die Form dieses Satzes ist insofern typisch für Dvoraks Scherzi, als schon der Hauptteil einen gemächlichen Trioabschnitt enthält, bevor das eigentliche Trio beginnt. Andante con moto und Finale sind Gegenstücke zu Dvoraks Streicherserenade – ersteres durch sein sentimental-sehnsüchtiges Thema, letzteres durch die von flirrenden Klanggründen getragenen Tanzmelodien, die gleichwohl immer wieder träumerischen Episoden Platz machen.

2001:

In seiner Rede Brahms der Fortschrittliche wies Schoenberg darauf hin, dass der Gegensatz zwischen Wagner und Brahms, der in der Generation vor ihm so spannungsgeladen gewesen sei, durch die Komponisten seiner Generation versöhnt wurde. Tatsächlich hat aber auch schon Antonin Dvorak mit seinem G-Dur-Streichquintett ein Werk auf halbem Weg zwischen Wagner und Brahms komponiert. Es ist zwar tonal, doch stark von Chromatik durchsetzt und nimmt in den großen Formen besonders der Ecksätze partiell Schönbergs formale Eigenarten vorweg.

Dvorak hat insgesamt drei Streichquintette geschrieben, die alle an charakteristischen Punkten seiner Entwicklung angesiedelt sind: das a-Moll-Quintett von 1861 war sein Opus 1, das G-Dur-Quintett von 1875 das erste mit einem Kompositionspreis ausgezeichnete Stück, das Es-Dur-Quintett von 1893 eines der amerikanischen Spätwerke im Umkreis der Sinfonie aus der Neuen Welt.

Nur für das G-Dur-Werk wählte er die Besetzung mit Streichquartett und Kontrabass, die zwar seltener ist als die Quintettbesetzungen mit zwei Celli bzw. zwei Bratschen, die aber dennoch seit dem späten 18. Jahrhundert zu den geläufigen Varianten des Streichquintetts zählte. Dem jungen Dvorak ging es offenbar darum, ein Streichquartett mit zusätzlichem Bassfundament zu schreibe, eine Art solistischer Streichersinfonie, als die man sein G-Dur-Quintett auffassen kann. Er komponierte es zur gleichen Zeit wie die 5. Sinfonie und die Serenade für Streichorchester; außerdem bearbeitete er den fünften Satz des Werkes, der vor der Drucklegung gestrichen wurde, für Streichorchester (Notturno H-Dur, op. 40). Daran kann man seine Absichten ablesen.

In der erst 1888 als Opus 77 gedruckten viersätzigen Fassung stellt sich das Werk als ganz traditionelles Kammermusikstück aus Sonatenallegro, Scherzo, Adagio und Rondofinale dar. Doch schon der erste Satz sprengt den kammermusikalischen Rahmen in orchestraler Weise. Er ist fast vollständig aus dem Motiv der Einleitung entwickelt, das im Stil einer sinfonischen Dichtung leitmotivisch verwendet wird. Nicht zufällig erinnern die Harmonik und der “Orchester”-Satz häufig an Wagner und Liszt, von deren Einfluß sich Dvorak 1875 noch nicht gelöst hatte. Andererseits werden erstes und zweites Thema in betont einfacher Weise vorgestellt, “im Volkston”, den Dvorak in diesem Werk besonders betont hat.

Der tschechische Volkston wird im Scherzo zum beherrschenden Charakteristikum. Die Form dieses Satzes ist insofern typisch für Dvoraks Scherzi, als schon der Hauptteil einen gemächlichen Trioabschnitt enthält, bevor das eigentliche Trio beginnt. Andante con moto und Finale sind Gegenstücke zu Dvoraks Streicherserenade – ersteres durch sein sentimental-sehnsüchtiges Thema, letzteres durch die von flirrenden Klanggründen getragenen Tanzmelodien, die gleichwohl immer wieder träumerischen Episoden Platz machen.

Das Streichquintett ist die dritte klassische Gattung im Bunde unseres Programms; sie hat im Gegensatz zu den ersten beiden keine feste Besetzung ausprägen können. Vielmehr ist der klassische Werkbestand in drei Besetzungen aufgespalten: 2 Violinen, 2 Viole, Cello (Mozart und Brahms), 2 Violinen, Viola, 2 Celli (Schubert) sowie Streichquartett mit Kontrabaß. Das berühmteste Werk in der letzteren Besetzung ist das G-Dur-Streichquintett, op. 77 von ANTONIN DVORAK. Seine hohe Opuszahl trügt: es wurde erst 1888 veröffentlicht, obwohl Dvorak es bereits dreizehn Jahre früher komponiert hatte – im selben Jahr wie die Streicherserenade op. 22, das Klaviertrio op. 21 und das Klavierquartett op. 23. Durch diese Werke, in denen er sich von dem beherrschenden Einfluß Wagners löste, und durch die Verleihung des österreichischen Staatspreises war das Jahr 1875 ein Wendepunkt in seiner Karriere.

Durch das G-Dur-Streichquintett wurde dies auch äußerlich sichtbar: es gewann den ersten Preis eines Kammermusikwettbewerbes der Prager Künstler-Ressource, für den es Dvorak komponiert hatte. Das Quintett ist ein Werk des Übergangs von dem Einfluß Wagners (Anklänge an Tannhäuser) zu dem von Brahms, von einer an Schubert orientierten Melodik zu Themen mit ausgeprägt slawischem Charakter (Scherzo, Finale).
Dem ersten Satz geht eine Einleitung im Tempo voraus, die zu Beginn der Durchführung und der Coda wiederholt wird. Sie besteht aus zwei Motiven, die für den weiteren Verlauf wesentlich sind: einem Terzdurchgang in Halben und einem Eintakter mit großer Sext aufwärts und Triole. Dieser ist die Keimzelle des ganzen Satzes, während das eigentliche erste Thema, ein tschechischer Volkstanz im daktylischen Rhythmus, Episode bleibt. Auf dem Grandioso-Höhepunkt der Durchführung wird das Sextenmotiv mit dem triolischen zweiten Thema vereint, aus ihm entstehen die stärksten Wirkungen der Reprise (eine zarte f-Moll-Stelle über Orgelpunkt) und schließlich auch die Stretta des Satzes. Die durchweg orchestrale Instrumentierung ist ein typisches Merkmal vieler Streichquintette, wird aber bei Dvorak durch die Besetzungsvariante mit Kontrabaß noch gesteigert. Tremoli, Oktavkopplungen und Füllstimmen erzeugen einen Klangeindruck von spätromantischer Opulenz.
Die beiden Mittelsätze sind im Charakter volkstümlicher: ein tschechisches Scherzo in e-Moll mit einer herrlichen E-Dur-Geigenmelodie und einem gemächlichen C-Dur-Trio als Kontrast-Teilen, sowie ein Poco andante , das aus kleinen ostinaten Motiven einen fast ununterbrochenen Klangteppich bildet. Sein Mittelteil besteht dagegen aus einer großen Kantilene der ersten Geige, die das Cello aufgreift. Dem Scherzo ging ursprünglich noch ein weiterer langsamer Satz voraus, ein Intermezzo bzw. Andante religioso. Dvorak hatte es aus seinem Streichquartett e-Moll von 1870 (o. Op.) übernommen, jedoch bereits 1883 wieder aus dem Streichquintett entfernt und als Notturno für Streichorchester, op. 40, separat herausgegeben.
Das Finale nimmt von den ersten Takten an durch seine tänzerische Rhythmik und seine großflächigen Steigerungen gefangen. Aus seinen Polkathemen werden subtile Klangwirkungen gewonnen, der melodische Schmelz hält der volkstümlichen Direktheit die Waage, vor allem aber gibt es feine motivische Rückbezüge zum ersten Satz. Die Coda bezieht ihre zwingende Kraft aus denselben Harmonien wie die Coda im ersten Satz von Schuberts B-Dur-Trio.

1997:
DIE DREI WERKE des heutigen Programms werden durch einen einfachen Sachverhalt miteinander verbunden: in allen drei spielt der Kontrabaß eine besondere Rolle. Historisch hängt dies mit der einfachen Tatsache zusammen, daß die drei Komponisten dieser Werke in der K. und K. Monarchie zur Welt kamen: Antonin Dvorak und Erwin Schulhoff in den damals noch sogenannten “Böhmischen Ländern”, die seit dem frühen 18. Jahrhundert eine Hochburg des Kontrabaß-Spiels waren, der dritte – Franz Schubert – in Wien, wohin sich diese böhmische Leidenschaft durch jene Adligen verpflanzte, die ihre Besitzungen in Böhmen hatten, aber in Wien residierten.

Unter dem Begriff “Kontrabaß” werden dabei großzügig die diversen Typen des Instruments subsumiert, die sich durch Bauweise, Stimmung und Besaitung voneinander unterscheiden und bis heute die Forschung vor manches Rätsel stellen. So ist es durchaus unklar, für welchen Instrumententyp Franz Schubert die Baßstimme seines “Forellenquintetts” komponiert hat – für einen Violone, einen Fünfsaiter oder einen Baß in “Wiener Stimmung”.
Die Zusammenstellung der drei Werke ist auch deshalb reizvoll, weil sie zeigt, daß sich Kammermusik in der Donaumonarchie nicht zwangsläufig auf die Zentrale Wien konzentrierte. Schubert komponierte sein Quintett für einen Amateurcellisten in Oberösterreich, Dvorak und Schulhoff schrieben ihre Werke in Prag, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. War der junge Dvorak ein tschechischer Außenseiter im damals noch deutsch geprägten Böhmen, so hatte Erwin Schulhoff als Deutschstämmiger in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts unter der Diskriminierung durch die nunmehr tschechische Führung zu leiden. Als dann 1939 die Deutschen in Prag einmarschierten, gehörte er wieder zu den Opfern, da er Jude und aktiver Kommunist war.

Seine Herkunft kann keines der drei Stücke verleugnen: die Volksmusik des Vielvölkerstaates bricht sich in jedem unüberhörbar Bahn. Bei Schubert ist es der Tanzboden des ländlichen Österreich, der besonders im Scherzo und Finale aufscheint, bei Dvorak und Schulhoff der Melodienschatz der “böhmischen Musikanten”, wie wir es vielleicht etwas klischeehaft nennen würden.

ANTONIN DVORAK hat drei Streichquintette geschrieben, die alle drei an charakteristischen Punkten seiner Karriere stehen: das a-Moll-Quintett von 1861 war sein Opus 1, das G-Dur-Quintett von 1875 das erste mit einem Kompositionspreis ausgezeichnete Stück, das Es-Dur-Quintett von 1893 eines der amerikanischen Spätwerke im Umkreis der Sinfonie aus der Neuen Welt.

Nur für das G-Dur-Werk wählte er die Besetzung mit Streichquartett und Kontrabaß, die zwar seltener ist als die Quintettbesetzungen mit zwei Celli bzw. zwei Bratschen, die aber dennoch seit dem späten 18. Jahrhundert zu den geläufigen Varianten des Streichquintetts zählte. Dem jungen Dvorak ging es offenbar darum, ein Streichquartett mit zusätzlichem Baßfundament zu schreibe, eine Art solistischer Streichersinfonie, als die man sein G-Dur-Quintett auffassen kann. Er komponierte es zur gleichen Zeit wie die 5. Sinfonie und die Serenade für Streichorchester; außerdem bearbeitete er den fünften Satz des Werkes, der vor der Drucklegung gestrichen wurde, für Streichorchester (Notturno H-Dur, op. 40). Daran kann man seine Absichten ablesen.
In der erst 1888 als Opus 77 gedruckten viersätzigen Fassung stellt sich das Werk als ganz traditionelles Kammermusikstück aus Sonatenallegro, Scherzo, Adagio und Rondofinale dar. Doch schon der erste Satz sprengt den kammermusikalischen Rahmen in orchestraler Weise. Er ist fast vollständig aus dem Motiv der Einleitung entwickelt, das im Stil einer sinfonischen Dichtung leitmotivisch verwendet wird. Nicht zufällig erinnern die Harmonik und der “Orchester”-Satz häufig an Wagner und Liszt, von deren Einfluß sich Dvorak 1875 noch nicht gelöst hatte. Andererseits werden erstes und zweites Thema in betont einfacher Weise vorgestellt, “im Volkston”, den Dvorak in diesem Werk besonders betont hat.Der tschechische Volkston wird im Scherzo zum beherrschenden Charakteristikum. Die Form dieses Satzes ist insofern typisch für Dvoraks Scherzi, als schon der Hauptteil einen gemächlichen Trioabschnitt enthält, bevor das eigentliche Trio beginnt. Andante con moto und Finale sind Gegenstücke zu Dvoraks Streicherserenade – ersteres durch sein sentimental-sehnsüchtiges Thema, letzteres durch die von flirrenden Klanggründen getragenen Tanzmelodien, die gleichwohl immer wieder träumerischen Episoden Platz machen.