Quartett Es-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier, op. 87
Werkverzeichnisnummer: 585
1. Allegro con fuoco
2. Lento
3. Allegro moderato, grazioso
4. Finale. Allegro, ma non troppo
Antonin Dvoraks Es-Dur-Klavierquartett gehört zu seinen bedeutendsten Kompositionen, wenn auch zu den selten aufgeführten. Nach seinem ersten Klavierquartett von 1875 (D-Dur, op. 23) hatte Dvorak fast 15 Jahre gewartet, bis er ein zweites in Angriff nahm, obwohl ihn sein Verleger Fritz Simrock immer wieder zu einem neuen Werk dieser Gattung gedrängt hatte. Die drei Klavierquartette von Brahms, die bei Simrock erschienen waren, hatten sich als Erfolg erwiesen, und nun erhoffte sich der Verleger Ähnliches von dem einzigen Komponisten, dessen Kammermusik die Qualität eines Brahms erreichte. Dvorak fand erst im Sommer 1889 Zeit, den Wünschen Simrocks nachzukommen, vielleicht auch, weil er sich selbst an dem hohen Standard der Brahmsschen Quartette maß. Es gibt zahlreiche Querverbindungen zwischen seinem Quartett und denen seines deutschen Kollegen, besonders zwischen dem langsamen Satz und den Adagios aus Brahms‘ Opera 26 und 60.
Nach der Uraufführung 1890 wurde bald deutlich, dass Dvoraks Klavierquartett den Vergleich mit den Brahmsschen nicht zu scheuen brauchte: es ist ein eigenständiges Werk, in mehrfacher Hinsicht ein Klavierquartett sui generis. So enthält es ungewöhnliche ätherische Klangbilder, in denen der Klavier- mit dem Streicherklang vollendet verschmilzt. Im Streichtrio wird die Violine fast an den Rand gedrängt, so prominent sind Bratsche und Cello behandelt. Die Tonart Es-Dur ist alles andere als tonangebend. Schon von den ersten Takten an wird sie nach Moll verdunkelt; der tonale Bogen spannt sich durch die für Dvorak typischen chromatischen Modulationen bis zu Tonarten wie G-Dur, Ges-Dur (Lento) oder H-Dur (Trio). Die Ecksätze sind Musterbeispiele für jene Kunst thematischer Metamorphose, die man aus Dvoraks Sinfonien kennt. Das kraftvolle Streicherthema des Allegro con fuoco wird gegen ein Klaviermotiv in Moll gesetzt; beide verwandeln ihren Charakter im Laufe des Satzes völlig, bis sie in der Coda über Tremolo geheimnisvoll ausklingen. Das Lento wird von einer der schönsten Cellomelodien der Romantik eröffnet, gefolgt von einer ebenso schönen der Violine, einem erregten Mollausbruch und einer schubertischen Klaviermelodie. Wie Schubert im Forellenquintett hat Dvorak diese gelungene Melodienkette schlicht und einfach wiederholt. Scherzo und Trio haben ihre Charaktere vertauscht: das Scherzo ist ein Ländler, der die Weichlichkeit der Wiener Salons streift, das Trio ein böhmisch-kräftiger Volkstanz. Daß Dvorak die Bratsche ebenso effektvoll einzusetzen wußte wie Mozart, zeigt das Thema des Finales. Sein Weg vom es-Moll-Unisono des Anfangs durch zahllose Verwandlungen bis hin zur Apotheose in Es-Dur ist von mireißender Wirkung.
2004
ANTONIN DVORAK
Klavierquartett Es-Dur, op. 87
Wer immer im Wiener Schulministerium dem Prager Komponisten Antonin Dvorak anno 1877 sein Jahresstipendium von 600 Gulden anwies, er tat es nicht aus freien Stücken. Ein Komitee, bestehend aus Johannes Brahms, dem Kritiker Eduard Hanslick und dem Konzertmeister der Philharmoniker, Johann Herbeck, hatte sich für Dvorak in die Waagschale geworfen, um dem bewunderten Meister aus Prag endlich eine Anerkennung der Zentralregierung in der K. und K. Monarchie zu verschaffen. „Dvorak und Wien“ – das ist ein schwieriges Kapitel in der Biographie des Komponisten, dem anti-tschechische Vorurteile in der Donaumetropole allenthalben entgegenschlugen. Die äußeren Faktoren von Dvoraks späteren Erfolgsjahren sprechen für sich: Sein Verleger Fritz Simrock saß in Berlin, dorthin empfohlen hatte ihn der Deutsche Brahms, und alle seine Werke ließ Dvorak jenseits von Wien uraufführen: in Prag und Berlin, London und New York.
Auch das Klavierquartett in Es, Opus 87, konnten die Wiener allenfalls als Zweit- oder Dritt-Aufführung erleben, nachdem die Prager dem Werk schon 1890 bei der Uraufführung zugejubelt hatten.
In diesem Falle ist es Dvoraks Verleger Simrock, dessen Geschäftssinn und Hartnäckigkeit wir eines der schönsten Kammermusikstücke des Komponisten verdanken.
Nach seinem erfolgreichen ersten Klavierquartett von 1875 (D-Dur, op. 23) ließ sich Dvorak fast 15 Jahre Zeit, bevor er ein zweites in Angriff nahm, obwohl ihn Simrock immer wieder zu einem neuen Werk dieser Gattung gedrängt hatte. Die drei Klavierquartette von Brahms, die bei Simrock erschienen waren, hatten sich als Erfolg erwiesen, und nun erhoffte sich der Verleger Ähnliches von dem einzigen Komponisten, dessen Kammermusik die Qualität eines Brahms erreichte. Erst im Sommer 1889 fand Dvorak Zeit, den Wünschen Simrocks nachzukommen, vielleicht auch, weil er sich selbst an dem hohen Standard der Brahmsschen Quartette maß. Es gibt zahlreiche Querverbindungen zwischen seinem Quartett und denen seines deutschen Kollegen, besonders zwischen dem langsamen Satz des Opus 87 und dem Adagio aus Brahms‘ c-Moll-Quartett, Opus 60. Dennoch ist Dvoraks Quartett ein eigenständiges Werk, in mehrfacher Hinsicht ein Klavierquartett sui generis. So enthält es ungewöhnliche ätherische Klangbilder, in denen der Klavier- mit dem Streicherklang vollendet verschmilzt. Im Streichtrio wird die Violine fast an den Rand gedrängt, so prominent sind Bratsche und Cello behandelt.
Die Tonart Es-Dur ist alles andere als tonangebend. Schon von den ersten Takten an wird sie nach Moll verdunkelt. Der tonale Bogen spannt sich durch die für Dvorak typischen chromatischen Modulationen bis zu Tonarten wie G-Dur, Ges-Dur (Lento) oder H-Dur (Trio des Scherzos).
Die Ecksätze sind Musterbeispiele für jene Kunst thematischer Metamorphose, die man aus Dvoraks Sinfonien kennt. Das kraftvolle Streicherthema des Allegro con fuoco wird gegen ein Klaviermotiv in Moll gesetzt; beide verwandeln ihren Charakter im Laufe des Satzes völlig, bis sie in der Coda über Tremolo geheimnisvoll ausklingen. Das Lento wird von einer der schönsten Cellomelodien der Romantik eröffnet, gefolgt von einer ebenso schönen der Violine, einem erregten Mollausbruch und einer schubertischen Klaviermelodie. Wie Schubert im Andante des „Forellenquintetts“ so hat auch Dvorak diese gelungene Melodienkette schlicht und einfach transponierend wiederholt. Scherzo und Trio haben ihre Charaktere vertauscht: das Scherzo ist ein Ländler, der die Weichlichkeit der Wiener Salons streift, das Trio ein böhmisch-kräftiger Volkstanz. Dass Dvorak die Bratsche ebenso effektvoll einzusetzen (und zu spielen) wusste wie Mozart, zeigt das Thema des Finales. Sein Weg vom es-Moll-Unisono des Anfangs durch zahllose Verwandlungen bis hin zur Apotheose in Es-Dur ist von mitreißender Wirkung.