Souvenir de Rigi, op. 34 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Albert Franz (Ferenc) Doppler

Souvenir de Rigi, op. 34

Souvenir de Rigi, op. 34

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 565

Satzbezeichnungen

Andantino

Erläuterungen

In einer Höhe von fast 1800 Metern überragt das Bergmassiv Rigi den Vierwaldstätter See in der Schweiz. Schon am Beginn des Alpentourismus genoss diese Berggruppe einen geradezu sagenhaften Ruf als die „Königin der Berge“, ein Superlativ, der fälschlich aus dem lateinischen Regina montium abgeleitet wurde. Tatsächlich hieß das Bergmassiv schon im 14. Jahrhundert schlicht „Rigina“ ohne lateinischen Ursprung. Ringsum verstreut finden sich die großen Orte der Schweizer Geschichte wie etwa Küssnacht „am Rigi“. Heute wird das Massiv im allgemeinen feminin tituliert, also „die Rigi“ statt „des Rigi“.

Die malerische Lage am Vierwaldstätter See und die vielen Dörfer zu Füßen des Massivs sorgten dafür, dass es schon früh als Ausflugs- und Ferienparadies erschlossen wurde. Nicht zufällig nahm hier im Mai 1871 die erste Bergbahn Europas ihren Betrieb auf: die Vitznau-Rigi-Bahn. Der Wiener Flötenvirtuose Albert Franz Doppler erklomm die Hänge noch ohne Zahnradbahn, also zu Fuß. Dabei konnte er so manche Impression alpiner Musik in sich aufnehmen: von den Alphörnern bis zu den Flöten der Schweizer Alphirten.

Aus dieser Vorstellung heraus entwarf Doppler sein Trio Souvenir de Rigi für Flöte, Horn und Klavier, op. 38, eine Art pittoresken Dialog zwischen einem Flöte spielenden Hirten und einem Alphornbläser auf der Höhe des Rigi. Es handelt sich um eines der zahlreichen Souvenir-Stücke des 19. Jahrhunderts, von denen heute eigentlich nur noch Tschaikowskys Souvenir de Florence und sein Souvenir d’un lieu cher gespielt werden. Denn die Mehrzahl dieser Stücke ist gefällige Gebrauchsmusik des Virtuosenzeitalters, eine Sammlung klingender Postkarten, durchaus mit Anflügen von Kitsch.

Die Alpenszene in Dopplers Souvenir de Rigi lässt an Heile-Welt-Romantik nichts zu wünschen übrig: Das Klavier geht mit sanft wiegenden Klängen voran, die Flöte gesellt sich mit brillanten Fiorituren durch alle Lagen hinzu, eine rhapsodische langsame Einleitung, in der vor allem die dritte Oktav weidlich ausgekostet wird, sogar in chromatisch absteigenden Trillern. Fast scheint es, als habe hier Franz Doppler selbst seine Flöte ausgepackt, um in die Weite der Alpenlandschaft hinein seine virtuosen Arabesken erschallen zu lassen. Nach einer kurzen Kadenz der Flöte stimmt das Horn des Hauptthema der Idylle an: eine Melodie, die übliche Alphornfanfaren direkt in Wiener Salonmusik übersetzt. Nach einer weiteren Fermate werden die Themen der beiden Blasinstrumente kombiniert: Der virtuose Flötist und der besinnliche Alphornbläser treten in einen Dialog, ja Wettstreit ein. Eine kurzer, dramatischer d-Moll-Teil scheint eine düstere Szene anzudeuten. Umso schöner lichtet sich danach wieder das Bild, wenn die Flöte mit virtuosen Triolen die kitschige Hornmelodie umspielt. Am Ende geht die Musik in pure Rufmotive über. Wie von ferne klingt das Alphorn zum Flöte blasenden Wanderer herüber, der seiner Wege zieht.

Mit diesem effektvollen Dialog zweier Blasinstrumente knüpfte Doppler an ein berühmtes Vorbild an: Rossinis Ouvertüre zu Wilhelm Tell. Dort sind es Flöte und Englischhorn, die in einem pastoralen Dialog eine Alpenidylle malen, bevor das Gewitter einsetzt.