La Dame de Monte-Carlo, FP 180 (1961) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Francis Poulenc

La Dame de Monte-Carlo, FP 180 (1961)

La Dame de Monte-Carlo, FP 180 (1961) Monolog für Sopran und Klavier nach dem Gedicht von Jean Cocteau

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Erläuterung

Die Sopranistin Denis Duval war 40 Jahre alt, als ihr Francis Poulenc den großen, tragischen Monolog einer Frau am Abgrund widmete: La dame de Monte-Carlo. Die abgetakelte Schönheit, die sich hier auf den Weg ins Spielcasino von Monte-Carlo macht, war eine Erfindung des Dichters Jean Cocteau, des frühen Mentors von Poulenc. Der provokante Dandy-Dichter hatte den langen Monolog ursprünglich für eine typische „Diseuse“ komponiert, für die Sänger-Schauspielerin Marianne Oswald, die den Text tatsächlich mehr sprach als sang. Die umstrittene Diseuse ohne Stimme, mit halb lothringischem, halb deutschem Akzent kann man in dieser Szene heute noch auf You Tube hören. Nur den Refrain mit dem ewigen „Monte-Carlo“ hat sie als Valse triste gesungen, den Rest in seltsam pathetischer Diktion gesprochen. Es blieb Poulenc vorbehalten, den langen Text vollständig zu vertonen, und zwar für seine Lieblingssopranistin Duval, die schon die Hauptrolle in seiner berühmten Oper Dialogue des Carmélites aus der Taufe gehoben hatte. Mit Orchester wirkt die achtminütige Szene opernhaft, in der Fassung mit Klavier eher wie eine lange Chanson im Stil der Halbwelt-Diseusen alla Marianne Oswald.

Als Poulenc zwei Jahre vor seinem Tod dieses Meisterwerk schuf, beschwor der Text glückliche Erinnerungen an Jugendtage in Monaco herauf, als er für die Ballets russes des legendären Impresarios Sergei Diaghilev sein Ballett Les Biches komponierte und mit seinem Komponistenfreund Georges Auric der Versuchung des Casinos nicht widerstehen konnte: „Dieser Monolog gefiel mir, weil er mich zurückversetzte in die Jahre 1923 bis 1925, als ich mit Auric in Monte Carlo lebte, im kaiserlichen Schatten von Diaghilev. Ich habe oft aus nächster Nähe jene alten Wracks gesehen, die leicht befingerten Damen der Spieltische. Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass Auric und ich ihnen auch im Pfandhaus über den Weg liefen, wohin uns unsere unvernünftige Jugend ein oder zweimal verschlug.“

Poulenc selbst muss sich mit jener gealterten Dame identifiziert haben, die ihren Monolog in der Verzweiflung des einsamen Alters beginnt: „Wenn man tot ist unter den Toten, wenn man nicht mehr jung und geliebt ist, wenn man vor einer verschlossenen Tür steht, bleibt einem nichts anderes übrig, als ins Wasser zu gehen oder sich einen Spaß zu kaufen“. Ihr Spaß ist ein Jeton im Spielcasino von Monte-Carlo. Sie gewinnt, wird schräg angeschaut, verliert, wird betrunken rausgeworfen. Am Ende bleibt ihr nur noch ein Weg: in die Fluten des Meeres. Der englische Liedbegleiter Graham Johnson hat die tragische Szene in Poulencs Fassung wunderbar geschildert: „Poulenc schafft eine Szene aus mehreren Abschnitten mit einem Lent et triste als Haupttempo. Zuweilen geht es schneller, schärfer, nervöser zu, wenn Madame ihre Wutanfälle bekommt, doch grundsätzlich ist die Szene pathetisch und traurig. Fast stoisch entschließt sie sich zum Selbstmord, als keine andere finanzielle Option mehr bleibt. Am Ende kann man sich sehr gut die Frau vorstellen, wie sie von den Klippen ins Meer springt und ein letztes Mal jenen Namen ausruft, der den Spielsüchtigen heilig ist: Monte-Carlo! Das letzte Staccato im Klavier signalisiert einen Spritzer im Wasser. Man kann im Hintergrund dieser Szenerie sicher des Komponisten eigene Depression erkennen, seine Angst, sich ausgeschrieben zu haben. Auch er konnte sich kaum noch eine Zukunft vorstellen, als ihn die früheren Kräfte verließen.“ Dieser Deutung könnte man die vielen humoristischen Stellen des Monologs entgegen halten: Seinen berühmten Humor hatte Poulenc auch mit 62 Jahren noch nicht verloren.