Deux poèmes de Louis Aragon, FP 122 (1943) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Francis Poulenc

Deux poèmes de Louis Aragon, FP 122 (1943)

Deux poèmes de Louis Aragon, FP 122 (1943)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. C
2. Fêtes galantes

Erläuterung

Vom kleinen Francis Poulenc, dem geborenen Pariser und späteren „Spaßvogel“ in der Groupe des Six, gibt es eine wunderbare Geschichte: Als er eines Tages mit seiner Mutter in Paris einkaufen war, betraten Herr und Frau Debussy denselben Laden nahe der Place de la Madeleine. Man kannte sich vom Sehen aus den Proben für die Concerts Colonne. In einem unbeobachteten Moment gelang es dem kleinen Francis, ehrfürchtig die Mütze des Meisters zu berühren, die auf einem Fauteuil abgelegt war. ‚Wenn ich es gewagt hätte, hätte ich ihn umarmt’, erzählte der Komponist viel später über die tiefe Verehrung für sein Idol. Sie bezog sich bei Poulenc immer auch auf die Lieder von Debussy. Nicht zufällig wurde er selbst später einer der großen Meister der Mélodie, wie man in Frankreich das Kunstlied nennt. Dabei offenbaren seine Lieder neben seiner Ironie und seiner Vorliebe für Jahrmärkte und Cabarets auch seine tiefe Melancholie und mitunter seine glühende katholische Gläubigkeit.

Unsere Beispiele aus seinem reichen Liedschaffen stammen aus den düsteren Jahren des Zweiten Weltkriegs und aus seinen letzten Lebensjahren.

Als die Deutschen 1940 Frankreich überrannten, machten sich zahllose Franzosen mit Hab und Gut auf den langen Weg in den Süden, darunter auch der surrealistische Dichter und überzeugte Kommunist Louis Aragon. In dem kleinen Städtchen Ponts-de-Cé unweit von Angers überschritt er die Loire, im vollkommenen Chaos, „dem Abbild eines Frankreich, das man aufgegeben hatte“ (Pierre Bernac). In den bitteren Zeilen seines Gedichts C hat Aragon diesen Moment festgehalten:

Ich habe die Brücken von Cé überquert…
Die Loire trägt meine Gedanken mit sich fort
Mit den umgestürzten Autos,
Mit den entschärften Waffen.
O mein Frankreich, o meine verlassene Heimat!
Ich habe die Brücken von Cé überquert.

Poulenc vertonte dieser erschütternde Gedicht im Herbst 1942, während der deutschen Okkupation vom Paris, als verhüllten Protest gegen die Besatzer. Pierre Bernac hielt es für eines der rührendsten Lieder von Poulenc, wobei der Komponist bemerkte, dass die Klavierbegleitung wegen des Pedalspiels sehr schwer zu spielen sei. Auch der Dichter war gerührt, als er Poulencs Noten zu seinen Versen hörte und beschrieb „das große Staunen, als ich hörte, wie meine Gedanken, zerpflückt und aufgebraucht, durch die Singstimme über sich selbst hinauswuchsen“. Das Gedicht ist auch eine Lautmalerei mit dem Endlaut „cé“ und dessen Varianten wie „passés“, „blessé“, chaussée“ etc. So nannte es auch der Dichter: „Ô le joli dessin qui va de c en c“. „Oh süße Zeichnung, die von c zu c geht.“

Auf die tragischen Töne dieses Liedes ließ Poulenc notwendig einen ironischen Schlenker folgen: Aragons Gedicht Fêtes galantes. Unter diesem Ausdruck versteht man für gewöhnlich ein berühmtes Genre der französischen Malerei: die galanten Feste im Freien, die Rokokomaler wie Watteau, Lancret oder Boucher auf der Leinwand festhielten. Im besetzten Frankreich von 1942 wurde daraus eine Ansammlung grotesker Gestalten, Symbole einer verkehrten Welt. Poulenc benutzte hier den Stil der Chanson-Sänger seiner Zeit aus den Café-Concerts von Paris.