Concerto intitolato La Notte g-Moll, RV 439 (Bearbeitung des Concerto op. 10 Nr. 2)
Werkverzeichnisnummer:
Largo – Presto (Fantasmi, Gespenster) – Largo – Andante – Presto – Largo (Il sonno, Der Schlaf) – Allegro
Vom Gesang der Nachtigall im idyllischen Gärtchen eines Amsterdamer Bürgerhauses springen unsere Interpreten in eine gänzlich andere barocke Szenerie: in einen verwunschenen Palazzo am Canal grande in Venedig. In seinem berühmten Concerto La Notte (Die Nacht) schilderte Antonio Vivaldi nicht etwa ein nächtliches Idyll, sondern das genaue Gegenteil: eine Spukgeschichte – die Geisterstunde in einem venezianischen Palazzo.
Schon das einleitende Largo wirkt unheimlich durch seine leisen, punktierten Rhythmen im Unisono und die rollenden Triolen. Es ist nur die Ruhe vor dem Sturm: Im Presto erscheinen die Fantasmi, die Gespenster, vor dem Auge des entsetzten Schläfers, der aus dem Schlaf hoch schreckt und sich in einer Horrorszene wiederfindet. Gespenster mit rasselnden Ketten und wehenden Gewändern suchen ihn heim. Der Held unserer kleinen Geschichte darf in einem Andante nur kurz Atem holen, bevor die Erscheinungen noch schrecklicher widerkehren. Bei den klappernden Akkorden des folgenden Allegro ist man versucht, an Ge-rippe zu denken. Plötzlich fällt der Verängstigte in einen tiefen Schlaf, wie die Streicher mit lange ausgehaltenen Akkorden in dem Satz Il sonno verkünden – wobei die düsteren Harmonien verraten, dass der Alptraum noch nicht zu Ende ist. Im Finale kehren die Spukgestalten noch einmal zurück, wie aus weiter Ferne, um am Ende wieder schemenhaft ins Nichts zu verschwinden.
Die Urfassung dieses Concerto hat Vivaldi vermutlich nach 1718 in Mantua geschaffen, wo er für den kaiserlichen Statthalter Philipp von Hessen-Darmstadt als Hofkapellmeister wirkte. Die vorzüglichen Bläser der Hofkapelle hat er damals in diversen Concerti da camera auf raffinierte Weise kombiniert, so auch in der Urfassung von La Notte, wo sich zur Blockflöte und den Geigen noch ein konzertierendes Fagott hinzugesellt. Später strich Vivaldi das Fa-gott, fügte in den Streichersatz eine Bratsche ein und vertraute die Flötenstimme der modischen Traversflöte an. In dieser Form publizierte er La Notte als reguläres Flötenkonzert in seinem Opus 10. In dieser Form wurde das Konzert weltberühmt. Unsere Interpreten haben es für ihre Quartettbesetzung bearbeitet, spielen es also wieder als Concerto da camera, als Kammerkonzert.