Arie der Celia aus Lucio Silla, KV 135
Werkverzeichnisnummer:
Drei Arien
Sicher haben sie sich blendend verstanden, der siebenjährige Mozart und die dreißigjährige Sopranistin Anna de Amicis aus Neapel. Im August 1763 kreuzten sich in Mainz ihre Reisewege. Die Mozarts waren auf dem Weg nach London, wo de Amicis gerade ihre erste Saison als Primadonna absolviert hatte. Johann Christian Bach hatte sie zum Fachwechsel in die Opera seria und ins hohe Koloraturfach überredet. In Bachs Opern Zanaida und Orione war sie gefeiert worden, nun ging es nach Italien, um den frischen Ruhm zu untermauern. Knapp neun Jahre später trafen sich Mozart und die Neapolitanerin in Mailand wieder, wo der nun sechzehnjährige Salzburger für sie die Rolle der Giunia in Lucio Silla entwarf – bis heute die gefürchtetste Koloraturpartie in Mozarts gesamtem Schaffen. Aus dieser letzten Mailänder Oper Mozarts haben wir die Arie vom Sommerregen herausgesucht, ein wunderbares A-Dur-Allegro, in dem Mozart schon in der Streicherbegleitung die segensreichen Wirkungen eines sommerlichen Regenschauers beschrieben hat, der sich über die „arsi campi“, die ausgetrockneten Felder, ergießt.
Zu den Mozartsängerinnen der ersten Stunde gehörte auch Gräfin Hortensia von Hatzfeld. Die hochmusikalische Tochter aus böhmischem Adelshaus hatte einen Grafen von Hatzfeld vom Bonner Hof geheiratet. Dort sollte sie später den jungen Beethoven fördern, doch zuvor wirkte sie in Mainz und Wien als Mozartsängerin. Gemeinsam mit ihrem Schwager, dem Mainzer Hofmusikintendanten, sorgte sie dafür, dass Teile des Idomeneo schon wenige Jahre nach der Münchner Uraufführung im Mainzer Schloss erklangen, wobei Hortensia den Part der Elettra übernahm. Dies tat sie auch in der denkwürdigen Wiener Aufführung des Idomeneo unter Mozarts Leitung 1786 im Palais Auersperg. Ein weiterer Schwager der Gräfin, der geigende Eichstätter Domherr und enge Mozartfreund August von Hatzfeld, war an dieser Idomeneo-Aufführung beteiligt. Damals scheint sich Mozarts Intimfreund Gottfried von Jacquin in die schöne Gräfin verliebt zu haben, denn er widmete ihr sechs amouröse Notturni für zwei Soprane, Bariton und Klarinetten, wofür er Mozart als „Ghost writer“ benutzte. Über all dies dürften Mozart und die Gräfin herzlich gelacht und geplaudert haben, als sie sich 1790 bei der Kaiserkrönung in Frankfurt wiedertrafen. Hortensia war es, die Mozarts Frankfurter Konzert in die Wege leitete, und sicher geht auch sein Abstecher nach Mainz auf sie zurück. Im Mainzer Schloss wird sie unter seiner Leitung zweifellos ihre Glanznummern aus Idomeneo gesungen haben, darunter die wunderbare G-Dur-Arie der Elettra „Idol mio“, melodisch vielleicht die schönste Arie des Werkes, eingebettet in einen so klangvollen Streichersatz, dass man die Bläser nicht vermisst. Die Königstochter Elettra gibt sich hier der trügerischen Hoffnung hin, den widerspenstigen Prinzen Idamante doch noch bezirzen zu können.
Als Mozart im September 1790 in Frankfurt die Krönungsmesse des Mainzer Hofkapellmeisters Vincenzo Righini hörte, wurde er vom Solo einer jungen Sopranistin aus Mainz tief bewegt, die später in Berlin Karriere machen sollte: Margarete Louise Schick. Die spätere Muse von E. T. A. Hoffmann und Primadonna der Deutschen Oper am Gendarmenmarkt beeindruckte Mozart so tief, dass er sie einlud, in seiner Frankfurter Akademie aufzutreten. Zweifellos wirkte sie auch bei seinem Konzert im Mainzer Schloss mit. Als Zerlina im Don Giovanni wurde sie auf der Bühne des damaligen Mainzer Nationaltheaters gefeiert. Aus dem Zusammentreffen zwischen dem vierunddreißigjährigen Mozart und der zweiundzwanzigjährigen Mainzerin entstand die Legende einer Liebesaffäre, wie sie der Mainzer Musikforscher Adam Gottron überliefert hat. Angeblich habe sich Mozart in das junge Mädel mit der schönen Stimme verliebt und ihr zum Abschied die Konzertarie „Io ti lascio“ KV 621a gewidmet. Tatsächlich handelt es sich dabei um ein spätes Stück aus Mozarts letzten Lebensjahren, wie das Autograph beweist. Freilich ist die Arie dort in Es-Dur geschrieben und für Bariton bestimmt – offenbar ein Abschiedsgruß des Gottfried von Jacquin an Gräfin Hatzfeld, die Mozart wieder einmal als „Ghost writer“ komponiert hat. Eine zweite Fassung für Sopran hat sich im Nachlass seines Sohnes erhalten und zu der Legende von Mozarts Mainzer Affäre geführt.