„Schlichte Weisen“ nach Gedichten von Felix Ludwig Julius Dahn, op. 21
Werkverzeichnisnummer:
1. All mein‘ Gedanken
2. Du meines Herzens Krönelein
3. Ach Lieb, ich muß nun scheiden
4. Ach weh mir unglückhaftem Mann
5. Die Frauen sind oft fromm und still
Strauss-Lieder – mit und ohne Gesang
2018
Richard Strauss war zeitlebens ein leidenschaftlicher Liederkomponist. Nicht nur seine Leidenschaft für schöne Frauen schlug sich darin nieder, sondern auch seine Begeisterung für schöne Stimmen und für die Dichtkunst. Als ihm 1896 der Dichter Karl Henckell in einem Brief die rührende Wirkung schilderte, die ein Strauss-Lied bei ihm ausgelöst hatte, antwortete Strauss mit einigen bezeichnenden Sätzen: „Ich stehe im Verhältniß so aufrichtiger Teilnahme an Ihrem Schaffen und dem Ihrer Kunstgenossen, daß mit ein derartiger Beweis von Gegenliebe wie der, den Sie mir gegeben, ein wirkliches Bedürfniß ist. Wenn meine bescheidenen Compositionen dazu mit beitragen könnten, den Namen der vertonten Poeten zur gerechten Würdigung von Seiten des für gewöhnlich nicht lyrische Gedichte lesenden Publikums zu verhelfen, so wäre niemand glücklicher als ich.“ Die Unterstreichung stammt vom Komponisten selbst und wirft auf seine Einschätzung des Publikums ein bezeichnendes Licht. Um 1900 war es durchaus noch üblich, Lyrik zu lesen, und zwar nicht nur die Klassiker und Romantiker. Den Erfolg seiner Lieder verdankte Strauss nicht zum geringsten Teil seinem Gespür für den Zeitgeist in der Lyrik, dem er herrliche Denkmale setzte.
Strauss als Liederkomponist
„Naturstimmungen mit Seelenpointen“ waren nach Strauss’ eigener Aussage eine der vielen Facetten seines Liedschaffens: „Machen Sie mir ein paar einfache Lieder dieser Art: Naturstimmungen mit ‚Seelenpointen’ à la Traum durch die Dämmerung, Freundliche Vision oder Du bist die Ruh etc. ohne viel gedankliche Seitensprünge.“ So schrieb er an den Wiener Dichter Anton Wildgans. Andere Lieder konnten „sehr im Volkston und mit ganz leichter Begleitung versehen“ sein wie das Opus 21, wieder andere „sehr compliziert“. Dabei reagierte Strauss jeweils ganz spontan auf den vorliegenden Text: „Treffe ich nun da, wenn sozusagen das Gefäß bis oben voll ist, auf ein nur ungefähr im Inhalt correspondierendes Gedicht, so ist das Opus im Handumdrehen da.“ So gab er im Fragebogen von Friedrich von Hausegger zu Protokoll.
Schwieriger wurde es dort, wo spröde Texte der Musik im Weg standen, „weil der musikalische Gedanke, der sich – weiß Gott warum – innerlich vorbereitet hatte, nicht ganz das entsprechende poetische Gedankengefäß gefunden hat und nun sich ummodeln, umdeuten lassen muß, um überhaupt zur Erscheinung zu gelangen.“ Schon der Neunzehnjährige äußerte sich abfällig über „zum Componieren etwas spröde Texte“, während der greise Meister rückschauend meinte: „Ich reagiere eben sehr stark auf glückliche Worte – siehe Terzett Rosencavalier, Duette Arabella, Schlußverse der Helena.“
Die genannten Opern kommen hier nicht zufällig ins Spiel: All die wundervollen lyrischen Stimmungen, die organische Verbindung von Singstimme und Klavier, die er bis 1901 in seine Lieder hineinlegte, entfaltete er in der vollen Pracht seiner Orchestrierung erst in den späteren Opern ab dem Rosenkavalier. Die Opern lösten die Lieder in dieser Hinsicht ab, so dass ab 1901 große Lücken im Liedschaffen klaffen.
Was das Verhältnis der Gesangslinie zum Text betraf, forderte Strauss vom Lied äußerste Genauigkeit: „Das moderne Lied: der Vers gebiert erst die Gesangsmelodie – nicht wie sehr oft sogar bei Schubert, daß die Melodie über den Vers gegossen wird, ohne dem Tonfall des Gedichts ganz gerecht zu werden!“
Reinhold Schlötterer schrieb 1988 über den Liederkomponisten Strauss: „Da ist zunächst einmal das äußere Maß der Lebesnzeit. Haben wir es doch, vom ersten Lied des sechsjährigen Richard bis zu den letzten, 1948 in der Schweiz komponierten Liedern des Vierundachtzigjährigen, mit einem 78 Jahre überbrückenden Liedschaffen zu tun, und daß der reife Strauss andere Texte bevorzugt als das Kind, ist wohl selbstverständlich. Aber im kleineren Maßstab ist jedes Lied so repräsentativ für die zugehörige Lebens- und Schaffenssituation, daß man aus dem Blickwinkel der Liedtexte und –kompositionen unschwer eine aussagekräftige Strauss-Biographie schreiben könnte.“
Schlichte Weisen, op. 21
„Ein Heft Lieder, die sehr im Volkston und mit ganz leichter Begleitung versehen sind und von denen ich mir beim Publicum schon etwas verspreche“. So kündigte Strauss seinem Verleger Eugen Spitzweg im Dezember 1889 eine kleine Liederreihe nach den Schlichten Weisen von Felix Dahn an. Gleich zwei Bände des Breslauer Dichters hatten es ihm damals angetan: neben den Schlichten Weisen auch die Mädchenblumen. Die Letzteren hielt Strauss jedoch für „sehr compliziert und ganz eigenthümliche Experimente“. Ironisch meinte er zu Spitzweg: „Ich glaube, Dir einen Gefallen zu tun, wenn ich sie einmal einem anderen Verleger anhänge.“ Tatsächlich erschienen die Schlichten Weisen 1890 in Spitzwegs Verlag Aibl, die Mädchenblumen dagegen 1891 im Verlag Fürstner. Die beiden Opera unterbrachen den Reigen seiner großen Tondichtungen jener Jahre: Don Juan Opus 20, Macbeth Opus 23, Tod und Verklärung Opus 24. Zu den wuchtigen Stoffen dieser üppigen Orchesterwerke bilden die Schlichten Weisen Opus 21 den lyrischen Gegenpol.