5 Kleine Lieder, Op. 69 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Richard Strauss

5 Kleine Lieder, Op. 69

5 Kleine Lieder nach Gedichten von Achim von Arnim und Heinrich Heine, op. 69

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

1. Der Stern (Achim von Arnim)

2. Der Pokal (Achim von Arnim)

3. Einerlei (Achim von Arnim)

4. Waldesfahrt (Heinrich Heine)

5. Schlechtes Wetter (Heinrich Heine)

Erläuterung

2018
Strauss-Lieder – mit und ohne Gesang

Richard Strauss war zeitlebens ein leidenschaftlicher Liederkomponist. Nicht nur seine Leidenschaft für schöne Frauen schlug sich darin nieder, sondern auch seine Begeisterung für schöne Stimmen und für die Dichtkunst. Als ihm 1896 der Dichter Karl Henckell in einem Brief die rührende Wirkung schilderte, die ein Strauss-Lied bei ihm ausgelöst hatte, antwortete Strauss mit einigen bezeichnenden Sätzen: „Ich stehe im Verhältniß so aufrichtiger Teilnahme an Ihrem Schaffen und dem Ihrer Kunstgenossen, daß mit ein derartiger Beweis von Gegenliebe wie der, den Sie mir gegeben, ein wirkliches Bedürfniß ist. Wenn meine bescheidenen Compositionen dazu mit beitragen könnten, den Namen der vertonten Poeten zur gerechten Würdigung von Seiten des für gewöhnlich nicht lyrische Gedichte lesenden Publikums zu verhelfen, so wäre niemand glücklicher als ich.“ Die Unterstreichung stammt vom Komponisten selbst und wirft auf seine Einschätzung des Publikums ein bezeichnendes Licht. Um 1900 war es durchaus noch üblich, Lyrik zu lesen, und zwar nicht nur die Klassiker und Romantiker. Den Erfolg seiner Lieder verdankte Strauss nicht zum geringsten Teil seinem Gespür für den Zeitgeist in der Lyrik, dem er herrliche Denkmale setzte.

Strauss als Liederkomponist

„Naturstimmungen mit Seelenpointen“ waren nach Strauss’ eigener Aussage eine der vielen Facetten seines Liedschaffens: „Machen Sie mir ein paar einfache Lieder dieser Art: Naturstimmungen mit ‚Seelenpointen’ à la Traum durch die Dämmerung, Freundliche Vision oder Du bist die Ruh etc. ohne viel gedankliche Seitensprünge.“ So schrieb er an den Wiener Dichter Anton Wildgans. Andere Lieder konnten „sehr im Volkston und mit ganz leichter Begleitung versehen“ sein wie das Opus 21, wieder andere „sehr compliziert“. Dabei reagierte Strauss jeweils ganz spontan auf den vorliegenden Text: „Treffe ich nun da, wenn sozusagen das Gefäß bis oben voll ist, auf ein nur ungefähr im Inhalt correspondierendes Gedicht, so ist das Opus im Handumdrehen da.“ So gab er im Fragebogen von Friedrich von Hausegger zu Protokoll.

Schwieriger wurde es dort, wo spröde Texte der Musik im Weg standen, „weil der musikalische Gedanke, der sich – weiß Gott warum – innerlich vorbereitet hatte, nicht ganz das entsprechende poetische Gedankengefäß gefunden hat und nun sich ummodeln, umdeuten lassen muß, um überhaupt zur Erscheinung zu gelangen.“ Schon der Neunzehnjährige äußerte sich abfällig über „zum Componieren etwas spröde Texte“, während der greise Meister rückschauend meinte: „Ich reagiere eben sehr stark auf glückliche Worte – siehe Terzett Rosencavalier, Duette Arabella, Schlußverse der Helena.“

Die genannten Opern kommen hier nicht zufällig ins Spiel: All die wundervollen lyrischen Stimmungen, die organische Verbindung von Singstimme und Klavier, die er bis 1901 in seine Lieder hineinlegte, entfaltete er in der vollen Pracht seiner Orchestrierung erst in den späteren Opern ab dem Rosenkavalier. Die Opern lösten die Lieder in dieser Hinsicht ab, so dass ab 1901 große Lücken im Liedschaffen klaffen.

Was das Verhältnis der Gesangslinie zum Text betraf, forderte Strauss vom Lied äußerste Genauigkeit: „Das moderne Lied: der Vers gebiert erst die Gesangsmelodie – nicht wie sehr oft sogar bei Schubert, daß die Melodie über den Vers gegossen wird, ohne dem Tonfall des Gedichts ganz gerecht zu werden!“

Reinhold Schlötterer schrieb 1988 über den Liederkomponisten Strauss: „Da ist zunächst einmal das äußere Maß der Lebesnzeit. Haben wir es doch, vom ersten Lied des sechsjährigen Richard bis zu den letzten, 1948 in der Schweiz komponierten Liedern des Vierundachtzigjährigen, mit einem 78 Jahre überbrückenden Liedschaffen zu tun, und daß der reife Strauss andere Texte bevorzugt als das Kind, ist wohl selbstverständlich. Aber im kleineren Maßstab ist jedes Lied so repräsentativ für die zugehörige Lebens- und Schaffenssituation, daß man aus dem Blickwinkel der Liedtexte und –kompositionen unschwer eine aussagekräftige Strauss-Biographie schreiben könnte.“

Schlechtes Wetter

Auf das letzte Kriegsjahr 1918 reagierte Strauss mit einer Rückbesinnung auf Klassiker und Romantiker der Lyrik. Nach langer Pause schuf er gleich drei Opera neuer Lieder: Im Februar entstanden die Sechs Lieder nach Gedichten von Clemens Brentano, op. 68, im Juni innerhalb weniger Tage Fünf kleine Lieder nach Gedichten von Achim von Arnim und Heinrich Heine, op. 69, danach die Ophelia-Lieder aus Shakespeares Hamlet und die „Lieder des Unmuts“ aus Goethes West-Östlichem Divan, zusammengefasst zum op. 67. Die knappe, fast lakonische Musik dieser Serien schlägt sich in Spieldauern von einer bis drei Minuten nieder. Das Heinegedicht im letzten Lied aus Opus 69 – bei schlechtem Wetter zieht eine einsame Frau ihrer Wege, um zuhause einen Kuchen fürs „große Töchterchen“ zu backen – offenbart in der ironischen Behaglichkeit der Schlusswendung einen neuen Ton im Strauss’schen Lied-Œuvre.