Légende pastorale, op. 138 Nr. 1
Werkverzeichnisnummer:
Andante quasi adagio
Das Programm beginnt quasi am falschen Platz: in Schottland. 1893 veröffentliche Benjamin Godard in Paris seine Scénes écossaises, seine „Schottischen Szenen“ für Oboe und Klavier, op. 138. Diese drei pittoresken Duos mit Klavierbegleitung beginnen mit einer Légende pastorale, einer „Hirtenlegende“, weshalb sich die Oboe in weiten Melodiebögen ganz frei aussingen darf – das Rubato ist vorgeschrieben. Offenbar schwebte Godard das Bild eines schottischen Schafhirten mit seiner Schalmei vor, nicht bedenkend, dass der Dudelsack mit seinen Bordunklängen und dem engen Tonvorrat eher für schottische Musik steht. Auch die Melodie wirkt in ihrem eleganten Pariser Schwung kaum original schottisch.
Als Geigenwunderkind und Schüler von Vieuxtemps machte sich der junge Pariser Benjamin Godard in der Epoche Kaiser Napoleons III. einen Namen. Später, in der Belle Époque der dritten Republik ab 1871, versuchte er, als Komponist großer Kantaten und Opern zu reüssieren, freilich vergeblich. Weder seine Oper über die Welfen noch ein nicht minder ausladender Historienschinken zum Thema Dante wurden von der Kritik akzeptiert. Godard blieb für die Pariser bis zu seinem frühen Tod an Tuberkulose im Alter von 45 Jahren ein Komponist gefälliger Salonstücke und pittoresker Kammermusik. „Das momenthaft Aufblitzende, Stimmungshafte, Poetische war seiner Natur gemäß. Genre- und Charakterstücke wie Barkarolen, Walzer, Mazurken, Legenden und Nocturnes dominieren einen Großteil seiner Produktion. Ausgesprochen melodiös, harmonisch schlicht, aber bisweilen raffiniert und von delikatem Charme und in jeder Hinsicht mehr am Herkömmlichen orientiert denn Neuland erschließend, lassen sie sich der Salonmusik der Zeit zurechnen“ (Ute Henseler).