Trio für Flöte, Viola und Harfe (1916)
Werkverzeichnisnummer:
1. Pastorale. Lento, dolce rubato
2. Interlude. Tempo di Minuetto
3. Finale. Allegro moderato, ma risoluto
Beginnen wir mit einer Musik, die in ihrem Klangzauber, ihrer wuchernden Farbenpracht und ihrer sonnigen Schönheit eine einzige Huldigung an Frankreich ist: die Sonate für Flöte, Viola und Harfe von Claude Debussy. Uraufgeführt wurde sie im dunklen Dezember des Jahres 1916, mitten im Ersten Weltkrieg in der Salle Gaveau in Paris. In der Rue la Boétie, einer Seitenstraße der Champs-Elysées, gelegen, zeugt dieser wundervolle Konzertsaal in nahezu unverändertem Zustand seit 1907 vom Geist der Jahrhundertwende. Als Kammermusiksaal für rund tausend Zuhörer erbaut, besticht er nicht nur durch eine glasklare Akustik, sondern auch durch sein Dekor – ein kleines Wunderwerk an unverfälschter Jugendstil-Atmosphäre. Hier erlebten die drei späten Sonaten von Debussy ihre ersten öffentlichen Aufführungen.
1915, drei Jahre vor seinem Tod, begann Debussy einen Zyklus von Six sonates pour divers instruments, die er in bewusster Anlehnung an die französische Sonatenkunst des Barock konzipierte. Von den geplanten sechs Sonaten konnte er nur noch drei vollenden: die Cellosonate, die Violinsonate und die Sonate für Flöte, Viola und Harfe. Auf dem Titelblatt der drei Sonaten, die der Verleger Durand publizierte, nannte sich der Komponist selbstbewusst: Claude Debussy. Musicien français. Dieser Titel verlieh dem Selbstverständnis des Komponisten in zweifacher Hinsicht Ausdruck: zum einen politisch im Sinne eines guten Patrioten, der die „Austro-Boches“ im Ersten Weltkrieg „auf dem letzten Loch pfeifen“ sehen wollte, zum anderen musikalisch im Sinne eines bewusst französisch empfindenden Musikers. „Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist,“ schrieb Debussy während der Komposition an den Sonaten in Erinnerung an die große französische Musik des 18. Jahrhunderts.
In der Sonate für Flöte, Viola und Harfe wird dieser Bezug zur verlorenen Welt des Barock und Rokoko schon an den Satztiteln deutlich. Eine „Pastorale“ steht am Anfang, eine Naturszene wie an einem heißen Sommernachmittag: zarte Harfenklänge, ein leises Vortasten der Flöte, ein wehmütiges Solo der Bratsche. Die Luft steht, kein Windhauch rührt sich, flirrendes Licht bricht sich in Zweigen, die Flöte deutet Vogelgesang an. Die Szene bleibt unbestimmt. Da gelingt der Flöte das Fragment einer Melodie in der Grundtonart F-Dur, das erste „Thema“. Danach streben die Linien wieder auseinander. Aus einem arabesken Solo der Bratsche entwickelt sich der Mittelteil, „vif e joyeux“ („schnell und fröhlich“). Die tänzerische Bewegung wird konkreter, dann wieder Flötenseufzer, Bratschentriolen, Stagnation. Flirrende Akkorde von Harfe und Bratsche begleiten eine langgezogene Melodie der Flöte, bevor leere Quinten die Wiederkehr des Anfangs vorbereiten. Die Flötenmelodie aus dem ersten Teil beschließt den Satz in äußerster Ruhe.
Den Mittelsatz nannte Debussy „Zwischenspiel“ („Interlude“) und gab ihm den Charakter eines langsamen Menuetts („Tempo di Menuetto“). Die traurige Tonart f-Moll und das klagende Thema von Flöte und Bratsche verleihen dem Satz einen melancholischen Charakter. „Ich weiß nicht, ob man über die Sonate lachen oder weinen soll, vielleicht beides“, meinte Debussy zur eigenartigen Aura dieser Klänge. Flötenarabesken bringen kraftvolle Bewegung ins Spiel, die aber wieder abebbt. Schillernde Harfenklänge läuten einen Wechsel der Farbigkeit ein: ein plötzlich hoch schnellender Lauf der Flöte, und wir befinden uns im Mittelteil in E-Dur. Er wirkt ungleich heller und strahlender als das Menuett selbst, tänzerisch vertrackt durch die Ahnung eines Ragtime-Rhythmus. In der solistischen Harfe setzt die Reprise des Menuetts an, doch noch einmal ergießen sich flirrende Läufe und die Arabesken des Mittelteils über die imaginäre Landschaft. Der letzte Anklang des Menuett-Themas in Flöte und Bratsche wirkt heiterer als zu Beginn.
Das Finale wird von einem stark rhythmischen Klanggrund der Harfe eröffnet, der an fernöstliche Musik erinnert (Gamelanmusik). Eine Flötenkaskade stürzt in die Tiefe, die Bratsche antwortet mit hochschnellenden gezackten Linien. Die Unruhe dieses Anfangs prägt fast den ganzen Satz, ein heftiger Dialog zwischen Blas- und Streichinstrument entwickelt sich, wobei immer wieder ostasiatische Klänge imitiert werden. Nur im Mittelteil ertönt wie von ferne eine nachdenkliche Melodie, danach kehrt das orgiastische Thema wieder. Gegen Ende taucht für drei Takte noch einmal die F-Dur-Melodie aus der „Pastorale“ auf, dann streben die Instrumente dem dionysischen Schluss zu.
Selbst im Schaffen des Musikpoeten Debussy ist diese Sonate in ihrer stillen Poesie ein Unikum. Die arabesken Läufe und Verzierungen, aus denen die Melodien entstehen, das wie zufällig wirkende Zusammenspiel der Instrumente mit seinen agogischen Freiheiten, vor allem aber der bezaubernde Klang sind in Debussys eigenem Schaffen wie in der Kammermusik um 1900 einzigartig. Ein französischer Debussy-Kenner nannte sie sein bestes Werk!
Selbst im Schaffen des Musikpoeten Debussy ist diese Sonate in ihrer stillen Poesie ein Unikum. Die arabesken Läufe und Verzierungen, aus denen die Melodien entstehen, das wie zufällig wirkende Zusammenspiel der Instrumente mit seinen agogischen Freiheiten, vor allem aber der bezaubernde Klang sind in Debussys eigenem Schaffen wie in der Kammermusik um 1900 einzigartig. Ein französischer Debussy-Kenner nannte die Sonate Debussys bestes Werk. Der legendäre Schweizer Flötist Aurèle Nicolet bemerkte einmal bei einem Villa Musica-Projekt: „Nur zwei Komponisten haben die Poesie der Querflöte wirklich verstanden: Bach und Debussy.“ Die Sonate ist dafür der schönste Beweis.