La notte („Die Nacht“) Fagottkonzert B-Dur, RV 501
Werkverzeichnisnummer:
1. Largo – Andante molto
2. Fantasmi (Gepenster). Presto – Presto
3. Il sonno (Der Schlaf) –
4. Sorge l’Aurora (Die Sonne geht auf). Allegro
Fagottkonzert La notte
Nach Einbruch der Dunkelheit war Venedig zu Vivaldis Zeiten noch finsterer und geheimnisvoller als heute. Diesem Thema hat er gleich zwei Konzerte mit dem Titel La notte („Die Nacht“) gewidmet. Das erste Concerto intitolato la notte ist jenes berühmte Flötenkonzert in g-Moll, op. 10 Nr. 2, das er auch in einer Variante als Doppelkonzert für Flöte und Fagott aufgeführt hat. Offenbar bat ihn seine Fagottistin, ihr ein Solokonzert nach demselben Muster zu schreiben. So entstand das Fagottkonzert La notte, das nur in einer einzigen Handschrift in Turn überliefert ist, wie fast alle 38 Fagottkonzerte von Vivaldi. Es steht in B-Dur statt in g-Moll, folgt im Aufbau aber getreu dem berühmten Vorbild. Man hat es mit einer Geisterstunde in einem verwunschenen Palazzo zu tun.
Fahles Unisono und punktierte Rhythmen lassen im einleitenden Largo den Ort des Geschehens nur schemenhaft erkennen: Ein unheimlicher Palazzo taucht im Nebel auf. Allmählich werden seine Konturen deutlicher: Akkorde ersetzen des Unisono. Der Held der Geschichte, verkörpert durch das Fagott, tritt vors Tor. Noch zögert er, doch schließlich überwindet er seine Skrupel und tritt mit forschen Triolen ein: Andante molto. Sofort fallen die Gespenster über ihn her: Fantasmi steht über dem ersten Presto. Die klappernden Gerippe werden durch die Streicher verkörpert. Der Fagott-Held erschrickt und flieht vor den immer bedrohlicher werdenden Gestalten. Schließlich wartet er mit gespannten langen Tönen, was als nächstes kommen mag: Die Geister gehen zu einem grotesken Tanz im Dreiertakt über (Presto). Nach weniger als zwei Minuten ist der Spuk vorüber, und der Held sinkt erschöpft in einen tiefen Schlaf: Il sonno heißt das folgende Adagio. Lange ausgehaltene Streicherakkorde untermalen die grotesken Träume des Helden, verkörpert durch die seltsamen Solo-Linien des Fagotts. Plötzlich steigen leise Linien in den Geigen auf: Der Morgen bricht an. Sorge l’Aurora hat Vivaldi über das Finale geschrieben. Die Streicher malen das Aufsteigen der Morgensonne mit einem Thema, das Vivaldi schon in seiner Mantuaner Oper Tito Manlio für eine Arie verwendet hatte. Das Fagott dagegen malt in freudigen Sprüngen, Trillern und Laufkaskaden die Freude des Helden darüber, dass er dem Spuk der Nacht heil entkommen ist.