Sonate en trio
Werkverzeichnisnummer:
Tranquille
Joyeux
Emporté
Der Südfranzose Darius Milhaud ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass er sich in Paris der „Groupe des Six“ anschloss, jener frechen Künstlerclique der Zwanziger Jahre, die den Ausbruch aus den Klischees der Vorkriegsmusik wagte und eine Musik des Alltags, der kleinen Formen und prosaischen Gesten propagierte. Neben Milhaud waren ihre Mitglieder bekanntlich: Francis Poulenc, Georges Auric, Arthur Honegger, Louis Durey und die Komponistin Germaine Tailleferre. Die provokante Knappheit ihrer Stücke, der lakonische Ton, vor allem aber ihre Freude an der so genannten „Polytonalität“, dem Spiel in mehreren Tonarten gleichzeitig, strapazierte das Gehör der Zeitgenossen derart, dass es in den Konzertsälen regelmäßig zu Tumulten kam, wenn ihre Werke auf dem Programm standen.
So geschah es auch 1920, als in den Concerts Colonne erste Orchesterstücke von Milhaud erklangen: Unter dem wütendem Protest des Publikums konnten sie kaum zu Ende gespielt werden. Der greise Camille Saint-Saëns fühlte sich bemüßigt, vom fernen Algier aus in den allgemeinen Skandal einzugreifen, und schickte einen abschätzigen Brief: „Mehrere Instrumente, die in verschiedenen Tonarten gleichzeitig spielen, haben noch nie Musik produziert, sondern nur Katzenmusik.“ Auch das Publikum hierzulande wurde schon bald nach dem Ersten Weltkrieg mit dieser „Katzenmusik“ konfrontiert: 1921 hob Milhaud in Wiesbaden seine Sonate für Klavier und drei Blasinstrumente aus der Taufe, die er 1918 in Brasilien komponiert hatte. An der Seite des Dichters Paul Claudel hatte er die Jahre 1914 bis 1918 in Rio de Janeiro verbracht und Land wie Leute studiert.
Brasilien hat in seiner Quartettsonate Spuren hinterlassen, etwa in der wilden Ekstase des dritten Satzes. Er erinnert an die Straßengesänge von Rio, deren „einhämmernder Rhythmus” Milhaud faszinierte. Anfang und Ende der Sonate dagegen greifen in ihrem ruhigen Tempo (Tranquille) und schmerzlichen Ausdruck (Douloureux) auf die „unfassbaren und traurigen Melodien“ des Pianistin Ernesto Nazareth zurück, den Milhaud in einem Kino in Rio spielen hörte. Der schnelle zweite Satz lebt von den freudigen (Joyeux) Arabesken der Flöte. Emporté („heftig, hitzig“) ist der dritte Satz überschrieben, der die Flöte in die dritte Oktav und alle Instrumente ins Dickicht chromatischer Läufe führt – gleichsam Urwaldmusik. Die Grundtonart, äolisches a-Moll, wird in der Sonate systematisch durch fremde Tonarten „gestört“.