Quintett d-Moll, op. 8 (1894) für Klavier und Bläser
Werkverzeichnisnummer:
Sombre
Tendre
Léger
Joyeux
Zu den frühen Opfern des Ersten Weltkriegs gehörte der französische Komponist Albéric Magnard. Wie so viele Franzosen im Nordosten des Landes brachte er im August 1914 seine Frau und Kinder vor den anrückenden Deutschen in Sicherheit, blieb aber selbst zurück, um sein Heim zu verteidigen. Bei einem Schusswechsel mit deutschen Soldaten ist er am 3. September in seinem Haus im Tal der Oise verbrannt. Magnard war erst 49 Jahre alt. Als Komponist gehörte er zu den Wagnerianern im Paris des Fin de siècle. „Nomen est omen“: Der junge Albéric begeisterte sich in Bayreuth für den Tristan und für Parsifal, später studierte er bei dem glühenden Wagnerianer Vincent d’Indy. Magnards Vater, Chefredakteur der Zeitung Le Figaro, sorgte für die nötige Publicity, um die Karriere seines Sohnes zu fördern, was nach dem Tod des Vaters 1894 ins Gegenteil umschlug: Magnard wurde der Zugang zum Musikleben zunehmend verwehrt, zumal er sich als Musikkritiker des Figaro Feinde gemacht hatte. In der „Dreyfuss-Affäre“, die damals die öffentliche Meinung in Paris spaltete, stellte er sich vehement auf die Seite von Émile Zola und verlor dadurch den letzten Rückhalt in Paris. Verbittert zog er sich mit einer Familie aufs Land zurück – in jenes Haus, das ihm 1914 zum Verhängnis werden sollte.
Spuren seiner Wagnerbegeisterung findet man auch im d-Moll-Quintett für Klavier und Bläser, komponiert 1894 im Aufwind seiner frühen Karriere. Anders als Mozart oder Beethoven stellte er dem Klavier ein hohes, lichtes Quartett aus Holzbläsern ohne Horn gegenüber. Sie stürzen sich ohne Umschweife ins hehre Pathos eines Wagnerschen Marschthemas, getragen von den Klangwogen des Klaviers. Es eröffnet einen Sonatensatz von weitesten Dimensionen, ständig wechselnd zwischen spätromantischer Aufwallung und impressionistischen Idyllen. Der langsame Satz ist der schönste des Quintetts, dank seines hymnischen Themas im Stil von Wagners Parsifal. Es wird zu Beginn leise und feierlich vom Klavier angestimmt. Die Klarinette antwortet mit ätherischem Gesang, das Klavier wiederum mit einem pathetischen Rezitativ, bevor alle vier Bläser den Hymnus aufgreifen. In schillernde Klangwolken des Klaviers gehüllt, wird das Thema gleichsam in himmlische Sphären entrückt. Klangwogen des Klaviers eröffnen das Scherzo – ein Zitat aus Wagners Rheingold-Vorspiel. Darüber intoniert die Flöte ein leichtes, schwingendes Thema in B-Dur, das die anderen Bläser aufgreifen. Als Trio spielt die Oboe einen arabischen Tanz in h-Moll. Das Finale wird wieder von der Oboe eröffnet. Ihr trotziges Marschthema in d-Moll wandert durch die Bläserstimmen und durch die Tonarten, wird von idyllischen und kessen Episoden abgelöst, bevor es sich am Ende in leuchtendes D-Dur auflöst.