Arpège per sei strumenti (1986) für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, Klavier und Vibraphon
Werkverzeichnisnummer:
Flöte
Klarinette
Violine
Violoncello
Vibraphon
Derselbe Philippe Albéra, dem wir die Einführung zu Dérive I von Boulez verdanken, dirigierte im März 1987 in Paris die Uraufführung von Franco Donatonis Arpège mit dem Ensemble Contrechamps. Als Besetzung wählte der in Verona geborene Donatoni das gleiche Sextett wie Boulez in Dérive I, also die Pierrot-Besetzung mit einem Vibraphon als Schlagzeug.
Der Titel Arpège (Arpeggio, harfenartig gebrochener Akkord) ist Programm: Gebrochene Akkorde in den unterschiedlichsten rhythmischen Werten und Klangfarben beherrschten die Partitur, wobei im Laufe der zwölf Minuten auch andere Klangeruptionen hinzutreten wie etwa wilde Triller der Bläser oder fetzige Doppelgriffe der Streicher. Durch das rasende Tempo und die ständigen Richtungswechsel wird Arpège zum virtuosen Parcours für alle Spieler. Nach tagelangem Proben mit dem Metronom gelang es Musikern des amerikanischen Ensembles Eighth Blood elf ganze Takte am Stück zu spielen, was sie in ihrem Blog wie einen Durchbruch feierten. Auch für die Stipendiaten der Villa Musica war dieses Stück eine Herausforderung, besonders für die Bläser – wenn sie auch schnell über elf Takte hinaus waren, besonders unter der virtuosen Stabführung von Peter Eötvös. Während der Proben in Budapest wurde dieses Stück auch von drei jungen Dirigenten geleitet, die das gesamte Programm unter Eötvös mit einstudierten und morgen Abend im Herrenhaus Edenkoben dirigieren werden.
Auf der Website des Ensembles Eighth Blood findet sich eine knappe Einführung zu Franco Donatoni, dem 2000 verstorbenen Komponisten aus Verona, und seinem Arpège: „Nachdem Donatoni in den Fünfziger und Sechziger Jahren verschiedene Sackgassen der experimentellen Musik ausprobiert hatte, durchlitt er in den Siebziger Jahren eine tiefe künstlerische und persönliche Krise an der Grenze zur Depression. Er hörte auf zu komponieren und zerstörte viele frühere Stücke. Nach diesem Zusammenbruch änderte sich seine Musik fundamental. Er wandte sich von den großformatigen Orchesterwerken ab, die früher sein Markenzeichen gewesen waren, und konzentrierte sich auf virtuose Werke für Solisten oder kleine Ensembles. In Arpège offenbart der Komponist seine Liebe zur theatralischen Interaktion zwischen den Instrumenten und schöpft das Klangfarbenpotential verschiedener Kombinationen aus. Klavier und Vibraphon verschmelzen am Anfang zu einer einzigen glockenartigen Kreatur, das gesamte Ensemble tritt mit rasenden Arpeggios aus kurzen Noten hinzu, während das Vibraphon den hämmernden Doppelgriffen von Geige und Cello einen Heiligenschein verleiht – dies alles ereignet sich in den ersten beiden Minuten! Im ganzen zwölfminütigen Stück herrscht ein spielerischer Tonfall vor – trotz all der wilden, kontrastierenden Materialien. Donatoni verlangt durchweg ein hohes Niveau an Virtuosität, und das Werk ist deutlich für eine Aufführung mit Dirigent angelegt. Arpège ist eine Serie miteinander verbundener Vignetten, und jede hat ihr eigenes, subtil unterschiedliches Tempo, wobei es keine Zeit gibt, sich auf den Tempowechsel einzustellen. Deshalb muss die Musik dem Ensemble gleichsam ‚Im Blut’ liegen, damit es jeden Übergang instinktiv umsetzen kann.“