Rondo capriccioso E-Dur, Opus 14 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Rondo capriccioso E-Dur, Opus 14

Rondo capriccioso E-Dur, Opus 14 (Bearbeitet von Wolfgang Renz)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Andante – Presto

Erläuterung

Die Mitglieder des deutschen Bundesrats bewegen sich auf geschichtsträchtigem Boden: In Berlins Leipziger Straße 3, wo heute die Länderkammer tagt, hatte im 19. Jahrhundert die Bankiersfamilie Mendelssohn ihr Anwesen: ein Gartenpalais mit ausgedehntem Park, welches der Crème de la Crème des bürgerlich-intellektuellen Berlin als Refugium diente. Wo sich Alexander von Humboldt ein Observatorium einrichtete, Hegel, Schleiermacher und E.T.A. Hoffmann ein- und ausgingen, suchten auch weite Kreise des Kunst liebenden Publikums am Wochenende Erholung bei geistigem Genuss. Sonntags nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr versammelte man sich alle zwei Wochen zu den „Sonntagsmusiken“ der Mendelssohns, einer Konzertreihe, die im Berlin der Romantik legendären Ruf genoss.

Die Mendelssohns hatten im Grünen gebaut, was die Spottlust der Berliner herausforderte, denn die Leipziger Straße, die uns heute nur einen Katzensprung vom Stadtkern Unter den Linden entfernt zu sein scheint, hatte damals noch sehr ländlichen Charakter. Darin lag freilich auch einer der Reize der Sonntagsmusiken. Eduard Devrient, Hausfreund der Familie, Shakespeare-Darsteller und der Sänger des Christus in Bachs Matthäuspassion unter Mendelssohns Stabführung, berichtete: „Des Sonntags pflegte sich jetzt der größere Kreis im Mendelssohnschen Hause zu versammeln, der sich im Sommer halb im offenen Gartensaale, halb im parkartigen Garten einrichtete.“

Das Ambiente bot ideale Voraussetzungen: Der Gartensaal des von Efeu umrankten Palais fasste mehrere hundert Besucher, die große Eibe im Park, die später Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg besingen sollte, fügte sich vollendet ins pittoreske Panorama, das neben dem Ohr auch das Auge verwöhnte. Und die engagierten Musiker der preußischen Hofkapelle waren von so herausragender Qualität, dass in der Konzertreihe früher oder später alles gastierte, was musikalisch Rang und Namen hatte: Paganini und Liszt, Robert und Clara Schumann, Geiger, Sängerinnen und Klaviervirtuosen. Es war keine Übertreibung, wenn der Dichter und Journalist Ludwig Rellstab die Sonntagsmusiken „ein künstlerisches Fest seltenster Art“ nannte, „wo die classischen Werke der älteren, wie die besten der neueren Zeit in sorgfältigster Ausführung gehört wurden und der Genuss sich durch die Mitwirkung oder Anwesenheit der ausgezeichnetsten Künstler erhöhte, die unserer Stadt angehörten oder sie als Fremde aufsuchten.“

In dieser idyllischen Umgebung trat der junge Felix Mendelssohn auch als Klaviervirtuose auf, etwa 1828 mit einer neu komponierten Etüde in e-Moll für Klavier, einem überaus effektvollen Stück im Stil des Sommernachtstraums. Dieser Satz wurde zwei Jahre später zur Keimzelle des Rondo capriccioso, Opus 14. Auf Durchreise in München stellte Mendelssohn seiner e-Moll-Etüde eine langsame Einleitung in E-Dur voran, verknüpfte beide Teile durch ein motivisches Band und goss allerhand „Saucen und Champignons“ darüber, wie er ironisch schrieb. Auf diese Weise erhielt er ein perfektes Konzertstück für die junge Münchner Klaviervirtuosin Delphine von Schauroth, die es dem 21-jährigen Berliner nicht nur aus musikalischen Gründen angetan hatte: Sie sei „schlank und blond und blauäugig und weißhändig und etwas vornehm“ ließ der Bruder seine neugierigen Schwestern in Berlin wissen. Während Mutter Mendelssohn schon Erkundigungen über die Familie von Schauroth einholte, weil sie in der zarten Münchnerin eine mögliche Schwiegertochter zu erahnen meinte, hatte ihr Sohn keine ernsteren Absichten. Immerhin traf er Delphine auf der Rückreise von Italien 1831 wieder. Durch sein Opus 14 hat er sie unsterblich gemacht.

Ausgerechnet dieses Rondo capriccioso für Bläserquintett zu bearbeiten, ist eine Herausforderung, der sich Wolfgang Renz gestellt hat. Denn es handelt sich um einen einzigen Parcours brillanter Klaviereffekte – vom zarten Aufschwung des Beginns über das flinke Rondothema bis hin zu Oktavgängen, Laufwerk in Staccato und Legato, Arpeggi und Ornamenten aller Art. Dennoch muss diese Vorlage gerade Bläser reizen, denn nach der Andante-Einleitung in E-Dur kommt das eigentliche Rondothema in e-Moll im federleichten Sechsachteltakt daher, ganz im Ton jener elfenhaften Scherzi, für die Mendelssohn berühmt werden sollte. Diese Musik für Puck und Oberon verlangt geradezu nach dem schillernden Klang der Bläser.