Preludio y Studio | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Heitor Villa-Lobos

Preludio y Studio

Preludio y Studio (Präludium und Etüde für Gitarre solo)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Erläuterung

Zu den größten Märchenerzählern in der Musik des 20. Jahrhunderts gehörte der Brasilianer Heitor Villa-Lobos. Angeblich erlernte er die Kunst des Geschichten-Erzählens während seiner Wanderjahre in den Urwäldern des Amazonas. Als junger Komponist sorgte er damit in der feinen Gesellschaft von Paris für erhebliches Aufsehen. Die von ihm veranstalteten Dinner-Parties à la brasilienne galten unter den Pariser Bohémiens der Zwanziger Jahre als der letzte Schrei. Auch in seiner Musik kann man die Kunst beobachten, in Tönen zu erzählen und eine farbige exotische Welt auszumalen.

1887 in Rio de Janeiro geboren, gilt Villa-Lobos als Vater der brasilianischen Musik. Auf einer Viola erlernte er das Cellospiel, die Gitarre während zahlloser gemeinsamer Stunden mit den Straßenmusikanten von Rio, deren Gesellschaft er seiner Bestimmung zum Mediziner vorzog. Nach einem vergeblichen Versuch, in Rio Musiktheorie zu studieren, verdiente er sich sein Geld als Cellist in Cafés und Kinos und blieb kompositorisch Autodidakt. Später stieg er zum ebenso gefeierten wie umstrittenen Nationalkünstler Brasiliens auf, verbrachte die Jahre 1923 bis 1930 in Paris und wurde in den Vierziger Jahren zum Begründer des nationalen brasilianischen Musiklebens.

Je nach Art der Zählung hat er zwischen 800 und 2000 Werken geschrieben, von denen die großen Zyklen am bekanntesten wurden: zum einen seine „brasilianischen Bachiana“ (Bachianas Brasileiras Nr. 1-7), zum anderen die Choros Nr. 1-14, seine Huldigung an die Straßenmusik seiner Heimatstadt Rio. Daneben schrieb er 4 Opern, 6 Ballette, 11 Symphonien, 17 Streichquartette. „Die große Stärke seiner Musik ist ihre Spontaneität … Diese Frische kann den gelehrtesten Hörer wie den naivsten überzeugen, sie bringt ihre Wirkung durch Farbe, rhythmische Energie und die pure Schönheit ihrer Melodien hervor, aber vor allem durch ihre magischen Klangfarben, die selbst in Chor- und Kammermusik den Eindruck orchestraler Brillianz erwecken.“ (Corrêa de Azevedo)

Zu den wichtigsten Werken, die Villa-Lobos für sein zweites Instrument schrieb, gehören die Präludien für Gitarre. Sie entstanden 1940, elf Jahre nach seinen zwölf bedeutenden Etüden für Gitarre, und verarbeiten Melodien und Rhythmen der Choroes, der Straßenmusikanten von Brasilien. „Man sollte nicht vergessen, dass Villa-Lobos, bevor er seine Berufung zum Komponisten entdeckte, als Gitarrist schon im Alter von dreizehn Jahren die Choroes begleitete, jene Straßenmusikanten, für die Vergnügen und Musik eins sind.” (A. Poirier) An diese musikalischen Jugendjahre knüpfte der fast Sechzigjährige Villa-Lobos in den Preludios an, die freilich zugleich eine Huldigung an sein Idol Bach waren – an die Präludien aus dem Wohltemperirten Clavier.