Intermezzi Goldoniani op. 127 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Marco Enrico Bossi

Intermezzi Goldoniani op. 127

Intermezzi Goldoniani op. 127

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Preludio e Minuetto. Allegro con fuoco – Con grazia
Gagliarda. Vivace
Coprifuoco (Feierabend). Blandamente
Minuetto e Musetta. Con moto – Alquanto meno mosso
Serenatina. Allegretto tranquillo
Burlesca. Con molto brio

Erläuterung

Als Orgelprofessor in Neapel und reisender Virtuose zählte Marco Enrico Bossi um 1900 zu den Großen der Organistenzunft in Europa. Max Reger und Karl Straube, César Franck und Marcel Dupré schätzten ihn als Kollegen wie als Mensch, denn er verband höchste Virtuosität mit persönlicher Bescheidenheit. 1861 in Salò am Gardasee geboren, war er Schüler seines Vaters, der dort als Domorganist wirkte. Schon mit 20 wurde er selbst Domorganist in Como und studierte daneben am Mailänder Konservatorium Komposition bei Amilcare Ponchielli. Sein Schaffen umfasst weit mehr als nur effektvolle Orgelwerke oder ein Konzert für Orgel und Orchester, Opus 100. Es findet sich auch Kammermusik wie die beiden Klaviertrios oder die Violinsonate, Klaviermusik, Chormusik und diverse oratorische Werke (Das hohe Lied, Das verlorene Paradies, Jeanne d’Arc u.a.).

Die Intermezzi Goldoniani, Op. 127, zeugen von seiner pittoresken Fantasie, wie sie auch viele seiner Orgelwerke offenbaren (etwa der Bardenmarsch, die Franziskanischen Momente oder Westminster Abbey). Ursprünglich eine Klaviersuite, hat er diese launigen Intermezzi nachträglich für Streichorchester bearbeitet. In dieser Fassung erschienen sie 1905 im Leipziger Verlag Rieter Biedermann, einer der ersten Adressen des Musikverlagswesens um 1900.

Wie der Titel schon andeutet, handelt es sich um eine Huldigung an den venezianischen Komödiendichter Carlo Goldoni (1707-1893). Zusammen mit dem Komponisten Baldassare Galuppi schuf Goldoni im Venedig der 1750er Jahre die ersten klassischen Beispiele für die Opera buffa wie Il mondo della luna, Il filosofo di campagna, Lo Speziale und viele andere Erfolgsstücke, die später auch von Haydn und weiteren Komponisten vertont wurden. In Deutschland wurde er bekannter durch seine Theaterstücke, besonders Der Diener zweier Herren von 1745. Sein Leben hat er auf Französisch in höchst amüsanten Memoiren erzählt. Die Casa Goldoni, sein langjähriges Wohnhaus, zählt zu den kleineren Museen Venedigs, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Welche Episoden aus Goldonis Komödien, Operntexten und aus seinem Leben sich Bossi als Vorlagen für seine Intermezzi auswählte, ist leider nicht bekannt. Ganz allgemein verbinden sie Stücke einen launigen Buffa-Tonfall mit rasantem Noten-„Slapstick“, aber auch mit besinnlichen Momenten. Dabei griff Bossi musikalische Formen des 18. Jahrhunderts auf wie Menuett oder Musette.

Die Suite steht in d-Moll bzw. D-Dur und beginnt mit einem Präludium in der Molltonart – con fuoco, „feurig“, wie es sich für den Komödiendichter Goldoni gehört. Zwischen die rasenden Sechzehntel der Geigen schieben die Bratschen immer wieder ein kurzes, besinnliches Motiv ein – Vorahnung des Menuetts, das sich unmittelbar ans Präludium anschließt. Dieses melodisch reizvolle Menuett in D-Dur hat in der Mitte ein d-Moll-Trio mit schönem Bratschensolo.

Als zweiter Satz folgt eine Gagliarda, quasi ein Scherzo in d-Moll aus prickelnden Staccato-Triolen. Das folgende Andante in D-Dur scheint die Ruhe am Feierabend zu beschreiben. Dafür hat Bossi den Klang des Streichorchesters vielfach geteilt bis zur Neunstimmigkeit, Flageolett und andere Klangeffekte eingeschlossen.

Das zweite Menuett in h-Moll ist wesentlich bewegter als das erste, gleichsam „leichtfüßiger“. Sein Thema wird im Mittelteil nach H-Dur versetzt und mit den typischen Dudelsack-Klängen einer Musette umkleidet. Auf dieses ländliche Intermezzo folgt eine Stadtszene, eine Serenatina. Wie es sich für eine „kleine Serenade“ gehört, lauschen wir einem Liebenden, der seiner Geliebten zu nächtlicher Stunde ein Ständchen bringt. Er wird verkörpert durch eine solistische Viola d’amore, die aber auch durch Solovioline oder Solobratsche ersetzt werden kann. Auch die „Gitarrenbegleitung“ der gezupften Saiten im Streichorchester darf dabei nicht fehlen. In die einfache G-Dur-Melodie stimmen die übrigen Instrumente später mit ein, dann aber wendet sich der Solist nach g-Moll und kläglichen Tönen zu. Die Angebetete scheint sein Flehen nicht zu erhören, das Fenster bleibt geschlossen, also ziehen die Musikanten von dannen.

Eine Burlesca in strahlendem D-Dur dient als humoristisches Finale, aus Trillern, Tremoli und Sechzehntelkaskaden effektvoll zusammengesetzt.

Karl Böhmer