Antiche Danze ed Arie (Alte Tänze und Arien für Laute, für Streichorchester, frei umgeschrieben von Ottorino Respighi) Suite III (1932)
Werkverzeichnisnummer:
Suite III (1932)
I. Italiana (Anonym, Ende 16. Jahrhundert) Andantino
II. Arie di Corte (Giovanni Battista Besardo) Andante cantabile – Allegretto – Lento con grande espressione – Allegro vivace Vivacissimo – Andante cantabile
III. Siciliana (Anonym, 16. Jahrhundert)
Andantino
IV. Passacaglia (Lodovico Roncalli, 1692) Maestoso
Die „Alten Tänze und Arien“ des Ottorino Respighi führen uns an die Anfänge der Alte-Musik-Bewegung im Italien des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sich der Komponist aus Bologna italienische Lautenstücke aus dem 16. und 17. Jahrhundert vor, ein Repertoire, das damals allenfalls Musikhistoriker beschäftigte, da es faktisch keine Lautenisten gab und auch die Gitarristen sich noch nicht für Lautenmusik interessierten. Also kam Respighi auf die Idee, Lautenstücke für kleines Orchester in sehr differenzierten Besetzungen zu arrangieren – eine Gegenreaktion auf die monumentalen Symphonien der Epoche, wie sie sich damals auch in Frankreich und Deutschland zeigte in Verbindung mit der Rückbesinnung auf den „Alten Stil“. Die erste Suite von 1920 war ein so großer Erfolg, dass er drei Jahre später eine zweite Serie folgen ließ. 1932 schuf er die dritte Suite, ausschließlich für Streichorchester.
Die Klangmöglichkeiten der Streichinstrumente kannte Respighi aus seiner langen Erfahrung als Bratschist im Orchester. Am Liceo musicale seiner Heimatstadt Bologna hatte er Geige und Bratsche studiert, daneben Komposition bei Giuseppe Martucci, dem „italienischen Brahms“. Es dauerte freilich Jahre, bevor er seine Komponistenkarriere ernsthaft in Angriff nahm. Zuvor wirkte er als Orchesterbratschist u.a. in Sankt Petersburg und Bologna, nahm daneben Kompositionsstunden bei Rimsky-Korsakow in Russland und bei Max Bruch in Berlin. Erst mit Mitte 20 begann er, sich als Komponist und als Bearbeiter von Alter Musik einen Namen zu machen. 1916, mit Mitte 30, gelang ihm der Durchbruch mit der Uraufführung seines monumentalen Orchesterwerks Fontane di Roma. Diese klingende Huldigung an die Brunnen seiner Wahlheimat Rom, wo er seit 1913 als Professor an der Accademia di S. Cecilia lehrte, machte ihn auf einen Schlag berühmt. Auf die Römischen Brunnen ließ er in ebenso monumentaler Symphonik Feste di Roma folgen (Römische Feste).
Die drei Zyklen der Antiche Danze ed Arie offenbaren trotz ihres viel kleineren „Formats“ den gleichen Klangsinn wie jene Monumentalwerke. Die dritte Serie beginnt mit einer Italiana, einem italienischen Tanz der Renaissance im gemächlichen Dreiertakt. Das Pizzicato der Celli verleiht dieser zauberhaften Einleitung Serenadencharakter. Darauf folgen mehrere Arie di Corte bzw. Airs de Court, höfische Gesänge, die der burgundische Lautenspieler Jean-Baptiste Besard um 1604 in Köln in seinem Thesaurus harmonicus drucken ließ. Eine Auswahl dieser kurzen, tänzerischen „Arien“ erschien 1914 in Mailand in der Bibliothek musikalischer Raritäten. Auf diese Weise lernte sie Respighi kennen und benutzte sie als Vorlagen für den zweiten Satz seiner Suite, wobei er den Namen des Komponisten italianisierte: Giovanni Battista Besardo alias Jean-Baptiste Besard war ein Zeitgenosse von Claudio Monteverdi, geboren um 1567, gestorben nach 1616.
Als dritter Satz der Suite dient eine anonyme Siciliana aus dem 16. Jahrhundert, die in ihrer Naivität von den barocken Siciliani eines Vivaldi, Bach oder Pergolesi noch weit entfernt scheint. Nach diesem sanft schwingenden Intermezzo folgt als pathetisches Finale eine Passacaglia aus der Barockzeit. Der Graf Ludovico Roncalli veröffentlichte sie 1692 in Bergamo in seinen Capricci armonici, einer Sammlung von neun Suiten für die fünfchörige spanische Barockgitarre. In den Geigen- und Bratschensoli zu Beginn kann man noch etwas vom Klang der Barockgitarre erahnen, ansonsten hat Respighi diesen Satz höchst effektvoll in eine große Passacaglia für Streichorchester verwandelt. Sie wird geprägt von den stets wiederholten viertaktigen „Variationen“ eines Grundbasses, der aber in keiner Weise streng gehandhabt wird.