Triosonate D-Dur, op. 2 Nr. 8 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Jean-Marie Leclair

Triosonate D-Dur, op. 2 Nr. 8

Triosonate D-Dur, op. 2 Nr. 8 für Violoncello, Violine und Flöte

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Adagio
Allegro
Sarabanda (Largo)
Allegro assai

Erläuterung

Am 23. Oktober 1764 wurde der Geiger und Komponist Jean-Marie Leclair vor seiner Wohnung ermordet aufgefunden. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt, obwohl sich der Neffe des Ermordeten in mehrfacher Hinsicht verdächtig machte. Den Behörden freilich galt Leclair schon längst als extrem reizbarer Zeitgenosse, und er wohnte in einer mehr als zweifelhaften Pariser Vorstadt, seit er 1758 aus heiterem Himmel seine zweite Frau verlassen hatte. Die Ermittlungen wurden eingestellt. In jener wüsten Gegend also fand der berühmteste französische Geiger der Epoche Ludwigs XV. sein unrühmliches Ende.

44 Jahre zuvor war Leclair aus seiner Heimatstadt Lyon nach Turin aufgebrochen, nicht etwa als Geiger, sondern als Ballett-Tänzer. Als solcher wurde er 1722 zusammen mit seiner ersten Frau, einer begnadeten Tänzerin, an die Turiner Oper berufen. Dort begann er mit dem Komponieren von Zwischenaktballetten. Im riesigen Turiner Opernhaus konnte er den feurigen Stil der italienischen Streicher studieren, der sich so fundamental von der gezierten französischen Geigenschule unterschied. Zur Vertiefung nahm er Unterricht bei dem Corelli-Schüler Somis, was ihn endgültig vom Tanzen zum Geigespielen und Komponieren brachte.

Bei seiner Ankunft in Paris 1723 präsentierte sich Leclair mit einem Opus 1 aus Violinsonaten im reinsten italienischen Stil, auf den er bald seine Triosonaten Opus 2 folgen ließ – moderne, spannungsvolle Nachempfindungen der berühmten Triosonaten von Corelli. In Paris erregte er mit diesen Werken schon allein deshalb Aufsehen, weil in der Epoche der Régence alles Italienische in Mode war, gerade weil es der Sonnenkönig so lange entschieden abgelehnt hatte. Nach dem Tod seines Onkels Ludwigs XIV. hatte dessen Neffe Philippe von Orléans die Regentschaft für den noch unmündigen Ludwig XV. übernommen. Eine neue Zeit der Freiheit und der Offenheit war angebrochen. Ein junger Franzose wie Leclair, der aus Turin den neusten italienischen Stil mitbrachte, hatte hier beste Chancen. Freilich musste Jean-Marie noch volle zehn Jahre warten, bis seine Fähigkeiten auch bei Hofe Gehör fanden: 1733 ernannte ihn König Ludwig XV. zum Geiger in seinem Hoforchester. Vier Jahre später veröffentlichte er seine ersten Violinkonzerte im Stile Vivaldis.

Was er sich über Jahre an künstlerischem Kredit erspielt hatte, brachte er freilich durch sein reizbares Temperament wieder zu Fall. 1737 schied er im Zorn aus dem Hoforchester, weil er die Konkurrenz des königlichen Lieblingsgeigers Guignon nicht ertragen konnte. Er ging für fünf Jahre in die Niederlande, wo er Prinzessin Anna von Oranien unterrichtete. Diese hoch musikalische Herrscherin war niemand anders als „Princess Anne“, die Lieblingstochter von König Georg II. von England und Händels einstige Schülerin. Sie liebte Leclairs Musik und hätte ihn gerne dauerhaft an die Niederlande gebunden. 1743 aber kehrte der rastlose Musiker nach Paris zurück, um diverse Privatorchester bedeutender Mäzene zu leiten und 1746 den Schritt auf die große Bühne der Königlichen Oper zu wagen: Seine einzige Oper Scylla et Glaucus wurde ein Misserfolg – unverständlicherweise, wie John Eliot Gardiner vor drei Jahrzehnten mit seiner erfolgreichen Wiederbelebung bewiesen hat. Nach weiteren Rückschlägen zog sich der verbitterte Leclair 1758 in jene zwielichtige Vorstadt zurück, die ihm zum Verhängnis werden sollte.

Die Triosonate Opus 2 Nr. 8 entstammt glücklicheren Tagen im Leben des Jean-Marie-Leclair. In sanftem D-Dur ergehen sich die drei Musiker in feinsten Dialogen: im ersten Satz im reinsten italienischen Stil, im zweiten Satz in Gestalt einer prachtvollen Fuge nach dem Vorbild Corellis und im dritten Satz in den gezierten Linien einer französischen Sarabande. Im Finale kommt Leclairs Vergangenheit als Ballett-Tänzer zum Vorschein: Es ist im Tanzrhythmus eines Rigaudon gehalten, eine kleine Ballettszene, die man sich auch getanzt vorstellen könnte.