Davidsbündlertänze, op. 6
Werkverzeichnisnummer:
Heft I
Lebhaft (Motto von C.W.)
Innig
Mit Humor (Etwas hahnebüchen)
Ungeduldig
Einfach
Sehr rasch
Nicht schnell
Frisch
Lebhaft
Heft II
Balladenmäßig
Einfach
Mit Humor
Wild und lustig
Zart und singend
Frisch
Mit gutem Humor
Wie aus der Ferne
Nicht schnell
„Woher willst Du denn wissen, dass ich Deine Davidsbündlertänze nicht leiden mag? Bis jetzt bin ich noch nicht dazu gekommen, mich ihnen 2 Stunden allein in Ruhe zu widmen, und die braucht man. Solch eine Schrift zu entziffern, ist nur mir vorbehalten. Nun gute Nacht!“ Diese Zeilen sandte Clara Wieck am 19. November 1837 aus Prag an ihren heimlichen Verlobten Robert Schumann. Zwischen umjubelten öffentlichen Konzerten und Auftritten im Salon, zwischen Darbietungen von Schumanns Carnaval und fis-Moll-Sonate kam sie damals kaum dazu, die neuen Tänze durchzugehen, die ihr Robert zugeschickt hatte, der nun ungeduldig auf ein Urteil wartete. Auf eine öffentliche Aufführung hoffte er auch in diesem Falle nicht: „Du kennst die Art meiner Arbeiten! Du weißt, dass sie nur geistiger Natur sind, dass sie sich nicht wie Handwerksarbeiten zu jeder Tageszeit machen lassen … Zum öffentlichen Spielen geht wirklich nichts von meinen Sachen allen.“ Diese Zeilen an Clara offenbaren, wie sehr er sich mit seinen poetisch inspirierten Klaviermusik als Außenseiter im damaligen Musikbetrieb fühlte, der von den Virtuosen beherrscht wurde. „Es ist viel Clavierspiel darin, aber keine Musik“, pflegte Schumann von den Werken der Klaviervirtuosen zu sagen – einige leuchtende Beispiele wie Liszt, Henselt und Chopin ausgenommen.
Seine Davidsbündlertänze hatte Schumann in einem gänzlich anderen Geist entworfen. Anfang Januar 1838 schrieb er an Clara: „In den Tänzen sind viele Hochzeitgedanken – sie sind in der schönsten Erregung entstanden, wie ich mich nur je besinnen kann. Ich werde sie Dir einmal erklären.“ Wenige Wochen später berichtete er ihr weiter vom Hochgefühl, das ihn bei der Komposition beflügelt hatte: „Ich schreibe jetzt bei weitem leichter, klarer und, glaube ich, anmuthiger; sonst löthete ich alles lothweise aneinander und das ist vieles Wunderliche und wenig Schönes herausgekommen; indeß, auch die Irrthümer des Künstlers gehören der Welt, wenn es gerade keine Hässlichkeiten sind … Mit den Formen spiel ich, Überhaupt ist es mit seit anderthalb Jahren, als wär ich im Besitz des Geheimnisses.“
Ende 1837 gab Schumann die Davidsbündlertänze als sein Opus 6 im Leipziger Verlag Friese zum Druck, zwei Hefte von je neun Klavierstücken, in denen sich alles um die Gestalten des „Davidsbundes“ dreht, jene teils reale, teils imaginäre Künstlergemeinschaft, die Schumann entworfen hatte, um den „Philistern“ im deutschen Musikleben den Kampf anzusagen. Schon durch den Carnaval hatten die Gestalten dieses Bundes „gespukt“. Nun bevölkerten sie auch die Notenseiten der neuen Tänze, die ihr Motto von Clara Wieck übernahmen: „Motto von C. W.“ schrieb Schumann neben das Zitat aus einem Klavierstück seiner Verlobten, das den Zyklus eröffnet. Danach geht es in teils heiteren, teils übermütig humorigen, teils innig tiefsinnigen Tänzen quer durch die inneren Gestalten der Schumannschen Welt. Er selbst ist mit seinem doppelten „Alter ego“ darin vertreten: mit dem kräftig zupackenden, draufgängerischen Florestan und dem verträumten Eusebius. Auch Clara kannte diese zwei Seiten ihres Verlobten und erkannte sie in seinen Klavierstücken. Bei jedem Durchspielen stellten sie ihr Robert „so lebendig vor die Seele: ich seh Dich als Eusebius, und fühle einen zarten Händedruck! Ich seh’ Dich als Florestan, zürnend ob der Laune eines Vaters und inzwischen doch wieder besänftigend.“
Vater Wieck, der seine Tochter damals auf ihrer Konzertreise durch die habsburgischen Lande begleitete, wachte streng darüber, dass sie sich nicht mit seinem ungeliebten ehemaligen Schüler Schumann austauschte. Schon damals begann Friedrich Wieck mit seiner gnadenlosen Hetzkampagne gegen den zukünftigen Schwiegersohn, die in einen förmlichen Prozess münden sollte. Über den „Hochzeitsgedanken“ der Davidsbündlertänze schwebt also nach wie vor der dunkle Schatten der Ablehnung, die Robert von Claras Vater kalt ins Gesicht schlug.
Karl Böhmer