Aus: Three Preludes for Piano (bearbeitet von Gruber & Maklar)
Werkverzeichnisnummer:
Nr. 1 B-Dur. Allegro ben ritmato e deciso
Nr. 2 cis-moll (transponiert nach d-Moll). Andante con moto e poco rubato
Auch George Gershwin hat Präludien geschrieben – eine vielleicht überraschende Tatsache bei einem Komponisten, den man als genialen Schöpfer von Broadway Songs und Jazz Standards kennt und liebt. Dabei war es zeitlebens Gershwins großes Ziel, als Komponist klassischer Instrumentalmusik anerkannt zu werden. Seine Rhapsody in Blue und das Concerto in F, den American in Paris und seine übrigen Konzertwerke für Orchester schrieb er nur zu dem Zweck, ein „amerikanischer Ravel“ zu werden. Auch Porgy and Bess ist keineswegs ein Musical, wie man so oft lesen kann, sondern eine amerikanische Folk Opera, eine voll ausgewachsene Oper, in der Gershwin nach eigenem Bekunden den Wozzeck von Alban Berg mit Carmen von Bizet vereinen wollte.
In eine ähnliche Richtung zielen die Three Preludes for Piano, die Gershwin erstmals 1926 im Roosevelt Hotel in New York öffentlich spielte. Sie waren das etwas magere Resultat seines verwegenen Plans, 24 Klavierpräludien in allen Tonarten zu schreiben – nach dem Vorbild von Bach und Chopin. Sieben Präludien konnte der noch junge, im klassischen Metier wenig erfahrene Komponist vollenden, von denen er zwei für Violine und Klavier arrangierte (Short Story), zwei andere vor der Veröffentlichung unterdrückte. So kam es zur Herausgabe von nur drei Preludes for Piano, die freilich von großer Wirkung waren – Nachklänge der Rhapsody in Blue, die Gershwin zwei Jahre zuvor aus der Taufe gehoben hatte.
Damals, Mitte der Zwanziger Jahre, verdiente er mit seinen Broadway Shows bereits Unsummen, um die ihn seine klassischen Kollegen nur beneideten. Es war die Genugtuung für eine Jugend in bitterer Armut. Gershwins Eltern, Moishe Gershovitz und seine Frau Rosa Brushkin, waren russische Juden aus St. Petersburg. (Nach der Auswanderung änderten sie ihren Namen schrittweise von Gershvine in Gershvin, schließlich nach dem Vorbild ihres Sohnes in Gershwin.) Ihr Sohn Jacob Gershvine wuchs an der ärmlichen Lower East Side von Manhattan auf, bevor er zum großen George Gershwin wurde. Zur Musik kam der Straßenjunge und Raufbold eher zufällig: Er belauschte seinen Freund Maxie Rosenzweig beim Spielen von Dvořáks Humoreske, eine „blitzartige Offenbarung der Schönheit“, wie es Gershwin später nannte. Mit dem Klavierspielen begann der Zehnjährige auf ebenso kuriose Weise: Bei einem Freund, der ein mechanisches Klavier besaß, ließ er eine Klavierrolle langsam abspielen und setzte die Finger in die durch den Mechanismus heruntergedrückten Tasten. So lernte er einige Songs, die er seinen völlig überraschten Eltern vorspielte, als sie für seinen Bruder Ira ein Klavier kauften. Später arbeitete er als „Song Plugger“, der Kunden eines Musikverlags die neuesten populären Lieder am Klavier vorspielte. Dabei veränderte er die Noten durch „einige jener schrecklich schweren Tricks, die nur die Besten von uns beherrschten”, wie sich einer seiner Kollegen später erinnerte. So wurde aus dem Klavieranfänger der glänzende Pianist Gershwin.