Wohltemperierte Gitarren, op. 99
Werkverzeichnisnummer:
Prélude H-Dur
Prélude E-Dur
Nach Bach kamen viele Komponisten auf die Idee, Serien von Präludien in allen 24 Tonarten zusammenzustellen – mit oder ohne Fugen. Bei Chopin handelt es sich um die bekannten 24 Préludes, bei Schostakowitsch um 24 Präludien und Fugen. Diesen beiden Klavierzyklen stellte der italienische Komponist Mario Castelnuovo-Tedesco seinen Zyklus Wohltemperierte Gitarren, Opus 99 gegenüber.
Der Lebensweg des Florentiners, Jahrgang 1895, begann schillernd genug. Als Exponent der „musica nuova“ Italiens wurde er zu vielen Festivals eingeladen. Auf einem von ihnen lernte er 1932 in Venedig den spanischen Gitarristen Andrés Segovia kennen. Der unbestreitbar größte Gitarrist des 20. Jahrhunderts inspirierte seinen italienischen Freund bald zu zahlreichen Gitarrenwerken, die den Namen Castelnuovo-Tedesco auch heute noch in den Konzertsälen lebendig halten. Seine sinfonischen Werke, seine Opern, Ballette und Oratorien dagegen sind vergessen, denn als jüdischer Musiker musste der Komponist 1939 aus Italien emigrieren. In den USA fand er eine neue Heimat und einen neuen Wirkungskreis: Filmmusiken für die Hollywoodstudios.
Die mehr als 200 Filmmusiken, die Castelnuovo-Tedesco für MGM geschrieben hat, sind heute zwar vergessen. 1948 aber kam ein junger Mann in seinen Kompositionsunterreicht in Los Angeles, der Filmgeschichte schreiben sollte: John Williams. All jene gefühlssatten Orchesterklänge und eingängigen Themen, die Williams später für Indiana Jones, Der weiße Hai, Kevin allein zu Haus, Jurassic Park und Star Wars schreiben sollte, zeugen von seinem Unterricht bei dem vornehmen Florentiner. So darf man auch die „wohl temperierten“ Gitarrenpräludien von Castelnuovo-Tedesco getrost als effektvolle, klang- und melodienreiche „Filmmusiken“ hören.