24 Präludien für Klavier solo
Werkverzeichnisnummer:
Nr. 1 C-Dur Moderato
Nr. 2 a-Moll Presto
Nr. 3 G-Dur Moderato
Nr. 4 e-Moll Allegro appassionato
Nr. 5 D-Dur Andantino sognando (träumerisches Andantino)
Nr. 6 h-Moll Choral
Nr. 7 A-Dur Andante
Nr. 8 fis-Moll Presto
Nr. 9 E-Dur Allegretto
Nr. 10 cis-Moll Largo
Nr. 11 H-Dur Misterioso (geheimnisvoll)
Nr. 12 gis-Moll Allegro brutale
Nr. 13 Fis-Dur Andante
Nr. 14 es-Moll Allegretto
Nr. 15 Des-Dur Moderato
Nr. 16 b-Moll Moderato, Allegro ma non troppo
Nr. 17 As-Dur Adagio tragico
Nr. 18 f-Moll Grave
Nr. 19 Es-Dur Adagio religioso
Nr. 20 c-Moll Misterioso
Nr. 21 B-Dur Allegro moderato
Nr. 22 g-Moll Andante
Nr. 23 F-Dur Allegretto
Nr. 24 d-Moll Grandioso
Die kompakte, poetische Form des Präludiums ist zum Markenzeichen der Pianistin und Komponistin Lera Auerbach geworden, wobei sie sowohl an Bachs Wohltemperirtes Clavier als auch an Chopins romantische Préludes, an Debussy wie an Schostakowitsch anknüpfte. 1999 komponierte sie gleich drei Zyklen von je 24 Präludien: den ersten für Klavier solo, den zweiten für Violine und Klavier, den dritten für Violoncello und Klavier. Diesen drei eigenen Zyklen ließ sie in späteren Jahren ihre Bearbeitungen der Präludien von Dmitri Schostakowitsch für Streichinstrument und Klavier folgen. Weitere Präludien finden sich verstreut über ihre Kammermusik, etwa für Kontrabass und Klavier, für Glockenspiel oder Vibraphon.
Die 24 Präludien für Klavier solo sind nach dem Quintenzirkel angeordnet, nicht aufsteigend nach den Halbtönen wie in Bachs Wohltemperiertem Klavier. Beginnend mit C-Dur/a-Moll geht der Zyklus durch alle Durtonarten und ihre parallelen Molltonarten – zunächst aufsteigend durch die Kreuztonarten von C-Dur bis nach Fis-Dur, dann absteigend durch die B-Tonarten von es-Moll zurück nach d-Moll. Der Zyklus beginnt mit einem Moderato in C-Dur und durchschreitet verschiedenste Affektstufen: mal langsam (Largo, Adagio, Grave), mal in mittleren Tempi wie Andante oder Allegretto, mal wild bewegt wie etwa in einem „leidenschaftlichen Allegro“ oder gar im „brutalen Allegro“ von Nr. 12, genau in der Mitte der Reihe. Ein Andantino kann „träumerisch“ sein, ein Adagio „religiös“, ein anderes „tragisch“. Bezeichnenderweise schließt der Zyklus mit einem „Grandioso“ in d-Moll.
Die Präludien dauern zwischen 42 Sekunden und 5 Minuten, insgesamt rund 40 Minuten. Man hat sie ein „Puzzle“ genannt, dessen Einzelteile sich nach und nach zu einer großen musikalischen Landschaft zusammenfügen. Lera Auerbach selbst nannte sie „throwaway ideas of fragile beauty, that disappear quickly“, also „Wegwerfideen von zerbrechlicher Schönheit, die schnell wieder verschwinden“. Als sie diese flüchtigen Miniaturen entwarf, war sie oft überrascht von den unvermuteten Wegen ihrer eigenen Inspiration: „Wenn das Material, das man für ein Musikstück benützt, plötzlich in eine andere Dimension hinüberwächst, ist das einer der schönsten Momente. Dann erkundet man unbekannte Welten, die doch irgendwie vertraut scheinen – wie im Traum.“
Daniel Hathaway, ein Kritiker des Magazins Cleveland Classical, beschrieb die Hörerfahrung dieser Präludien im September 2013 folgendermaßen: „Die Zeit vergeht schnell, wenn man in Lera Auerbachs musikalische Reise eintaucht und ihr folgt, wie sie am Klavier anschauliche Szenen entwirft, die oft von krassen Stimmungsumschwüngen oder Desastern unterbrochen werden. Manchmal ist ein Hauch von klassischer Form zu spüren – Französische Ouvertüre, Ostinato, Fugen, Toccaten oder Arien; manchmal wird man an Russland erinnert – eine Balalaika, Kirchenglocken, ein Bauerntanz. Aber nichts bleibt besonders lange und es gibt keine Gelegenheit, sich zu langweilen. Auerbach ist eine beredte Interpretin ihrer eigenen, vielfältigen Ideen.“
Karl Böhmer