Caprice über Themen von Rossini, op. 3 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Adrien-François Servais

Caprice über Themen von Rossini, op. 3

Caprice über Motive aus der Oper Le comte Ory von Rossini, für Violoncello mit Begleitung eines zweiten Violoncellos op. 3

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Andantino sostenuto („Noble châtelaine“ mit Variationen)
Allegro risoluto – Allegretto („Que les destins prospèrent“)
Allegro più mosso

Erläuterung

Dass Cellisten heute mit einem Stachel spielen – also einem stützenden Metallstab am unteren Ende ihres Instruments –, haben sie dem Belgier Adrien-François Servais zu verdanken. Der Begründer der belgischen Celloschule und langjährige Professor am Brüsseler Konservatorium bereicherte das Cellospiel um so viele virtuose Facetten, dass ihn Héctor Berlioz bewundernd den „Paganini du violoncelle“ nannte. Sein berühmtes Stradivari-Cello von 1701, das sich heute in Washington befindet, stattete er mit einem Stachel aus, um es in der Lage stabiler zu machen und den Klang frei schwingen zu lassen. Dies war der letzte Schritt zur Emanzipation des Cellos als Soloinstrument in Konkurrenz zur Geige.

Als Kind des Virtuosenzeitalters komponierte sich Servais seine Bravourstücke selbst, meist als Variationen über Opernthemen, Nationalhymnen oder andere bekannte Melodien – jeweils zugeschnitten auf den Ort, an dem er reüssieren wollte. Zu Beginn seiner Karriere kam er 1833/34 nach Paris, wo noch immer Giaochino Rossinis französische Oper Le comte Ory Stadtgespräch war. Diese Farce über einen Grafen im mittelalterlichen Frankreich, der sich mit seinen Kumpanen als Nonnen verkleidet, um im Schloss der Comtesse Adèle Aufnahme zu finden, amüsierte die Pariser. Besonders eine Melodie hatte es ihnen angetan: der kleine, süße Gesang, mit dem sich Comte Ory und seine Spießgesellen in Nonnenverkleidung Zutritt zum Château verschaffen wollen. Ihr wiegendes Lied singen sie mitten im tosenden Lärm eines Gewitters, dem die armen, pilgernden Nonnen vor den Toren der Burg scheinbar schutzlos ausgeliefert sind. Natürlich hat die „noble châtelaine“, die edle Burgherrin Adèle, ein weiches Herz und lässt sie ein. Der Text der kleinen Melodie lautet:

„Noble châtelaine
Voyez notre peine,
Et dans ce domaine,
Dame de beauté,
Pour fuir la disgrâce
Dont on nous menace,
Donnez-nous par grâce
L’hospitalité.“

„Edle Burgherrin,
Seht doch unser Leid,
Und gewährt uns in diesem Haus,
Dame der Schönheit,
Zuflucht vor dem Ungemach,
Das uns bedroht.
Gewährt uns aus Gnade
Gastfreundschaft!“

Nicht zufällig stellte der Belgier Servais diese Melodie an den Anfang seines Capriccio Opus 3: Er bat damit bei den Parisern um Gastfreundschaft und hatte ihr Wohlwollen schon mit den ersten Tönen gewonnen: Das Cello variiert die Melodie von Rossini auf höchst virtuose Weise, während ein zweites Cello begleitet. Am Ende dieses Andante sostenuto lassen die beiden Cellisten das Gewitter aus der Oper kurz anklingen, bevor – nach einer Kadenz des ersten Cellos – eine zweite bekannte Nummer der Oper erklingt: die Cavatina des Grafen „Que les destins prospèrent“. In dieser Szene hat sich der findige Galan als wahrsagender Eremit verkleidet, der allen Damen in der Burg eine glückliche Zukunft voraussagt. Servais hat dieses Allegretto im Rhythmus einer Polonaise geschickt klanglich ausstaffiert und mit einer hochvirtuosen Cabaletta gekrönt.