Concerto per Oboè Es-Dur | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Vincenzo Bellini

Concerto per Oboè Es-Dur

Concerto per Oboè Es-Dur / Oboenkonzert Es-Dur

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Satzbezeichnung

Maestoso e deciso
Larghetto cantabile
Allegro Polonese

Erläuterung

Als Vincenzo Bellini 1823 in Neapel sein einziges Oboenkonzert komponierte, hatte er schon längst anderes im Sinn, als Orchesterwerke zu schreiben: Er wollte der berühmteste Opernkomponist Italiens werden. Dies ist ihm in den folgenden 15 Jahren tatsächlich gelungen: Schon seine frühen Opern wie Il pirata (Der Pirat) oder La straniera (Die Fremde) versetzten das Publikum in halb Europa in einen wahren Freudentaumel. Vollends seine beiden berühmtesten Opern wurden zu Welterfolgen: La sonnambula (Die Schlafwandlerin) und Norma wurden nach den Uraufführungen 1831/1832 in Mailand innerhalb weniger Jahre auf allen Bühnen Italiens nachgespielt. Darauf folgten Aufführungen in Originalsprache in Vera Cruz, Mexico Stadt, Buenos Aires, Malta, Mallorca und Kuba, Madrid, Lissabon, Warschau und Wilna. In Paris erklangen die beiden Opern in Italienisch oder in französischer Übersetzung, in London, Philadelphia und New York auf Englisch, in Sankt Petersburg in russischer Sprache, in deutscher Übersetzung aber in Wien, Graz, Berlin, Mainz, Mannheim, Brünn, Agram, Budapest, Riga, Prag, Bukarest und zahllosen anderen Städten!

Wenige Monate nach der Uraufführung seiner dritten Erfolgsoper I puritani (Die Puritaner) ist Bellini 1836 in der Nähe von Paris gestorben – im Alter von nur 34 Jahren. Die Musikwelt versank in Trauer über ein früh verstorbenes Genie, den würdigen Nachfolger Mozarts und Pergolesis.

Dass Bellini Sizilianer war, hätte man ihm nie und nimmer ansehen können: Er hatte „hellblondes Haar, das in sich ringelnden goldenen Fäden wellenartig über seine Wangen und Schultern fiel“ und „einen rosig weißen, hier und da etwas geäderten Teint“, war dabei „groß gewachsen und etwas zu schlank“, wie es in einem Nachruf von 1846 heißt. Selbst Heinrich Heine war von der eigenartigen Ausstrahlung dieses Schönlings merkwürdig angetan. Sein nordisches Äußeres war das Erbteil seiner Mutter – wie bei manchen Sizilianern, in denen sich die normannische Erbe des Landes noch bewahrt hat. Seine musikalischen Gene dagegen erhielt Bellini vom Vater und besonders vom Großvater, der nur wenige Jahre vor seinem Enkel im Alter von 85 Jahren starb.

Dieser erste Vincenzo Bellini war Kapellmeister in Catania, der heute zweitgrößten Stadt Siziliens, die malerisch zu Füßen des Ätna liegt. Die Gewalt des Vulkans zerstörte über die Jahrhunderte sowohl das römische als auch das mittelalterliche Catania vollständig, so dass die Stadt um 1700 als Barockstadt neu aufgebaut werden musste. In dieser modernen Stadt am Meer wurde 1801 der erste Enkel des Kapellmeisters Bellini geboren. Der kleine Vincentino bewunderte seinen Großvater so sehr, dass er ihn eines Tages aus heiterem Himmel und im zarten Alter von sechs Jahren beim Dirigieren in der Kirche ablöste. Noch manch andere Wunderdinge erzählte man sich vom Wunderkind Vincenzo, bevor er nach Neapel kam, um am Konservatorium zu studieren. Mit einem Stipendium seiner Vaterstadt absolvierte er seine Studien und sandte den Stadtvätern regelmäßig neue Stücke nachhause – als Belege für seinen Studienfleiß.

Dazu gehörte auch das Concerto per Oboè, wie es Bellini nannte, sein Konzert für Oboe und Orchester in Es-Dur, komponiert vermutlich 1823. Die Originalpartitur, die Bellinis Freund Florimo später dem Konservatorium von Neapel schenkte, ist nicht datiert. Trotzdem zeigt das Werk deutliche Anklänge an seine ersten Opern aus jenen Jahren. Wie damals in Italien üblich, besteht das Oboenkonzert nicht aus drei separaten Sätzen, sondern aus einer pathetischen langsamen Einleitung für Orchester, einem langen, kantablen Oboensolo und einem virtuosen Hauptteil, den Bellini als brillante Polonaise anlegte. Von besonderer Schönheit ist das Larghetto cantabile, dessen lang gezogene Oboenmelodie Bellinis schönste Belcanto-Arien vorwegnimmt. Offenbar nahm sich der junge Bellini einen Rat seines Lehrers Zingarelli zu Herzen: „Wenn du dafür sorgst, dass man deine Kompositionen singen kann, darfst du dir des Erfolgs sicher sein. Wenn du stattdessen schwere Harmonien, doppelten Kontrapunkt, Fugen, Kanons und andere Künste anhäufst, werden die Kenner vielleicht nach einem halben Jahrhundert Beifall spenden – oder auch nicht. Das Publikum jedoch wird dich bestimmt tadeln. Es will Melodien, Melodien und immer nur Melodien haben. Wenn dein Herz lernt, ihm diese zu geben, dann finde auch heraus, wie du sie so einfach wie möglich anlegen kannst. Dann wird dir der Erfolg sicher sein und du wirst ein Komponist werden. Andernfalls wirst du nichts anderes sein als ein guter Organist in irgendeinem kleinen Städtchen.“ Im Oboenkonzert bewies Bellini seinem Lehrer, dass er ein wahrer Komponist geworden war – der größte Meister der langen, einfachen Melodie, den Italien jemals hervorgebracht hat. Dies musste selbst Giuseppe Verdi unumwunden zugeben.