Violinkonzert D-Dur Grosso mogul, RV 208 (Der Großmogul)
Werkverzeichnisnummer:
Violine
Orchester
Allegro – Grave Recitativo – Allegro
Grosso mogul („Großmogul“) steht etwas rätselhaft über einem frühen Concerto Vivaldis in D-Dur, das zu seinen virtuosesten Violinkonzerten zählt. Doppelgriffe, Bariolagen und anderen Schwierigkeiten bis in die hohen Lagen hinein hat er hier so gehäuft eingesetzt wie in keinem anderen seiner Concerti vor 1715. Da Johann Sebastian Bach als Weimarer Hoforganist seine Orgelbearbeitung dieses Vivaldi-Konzerts just anno 1715 anfertigte, muss das Original in den Jahren davor entstanden sein. Dies wird durch eine Stimmen-Abschrift des Vivaldi-Konzerts bestätigt, die sich heute in Schwerin befindet. Sie ist mit dem besagten Titel Grosso mogul versehen und enthält gegen Ende der beiden Ecksätze zwei riesige Solokadenzen, in denen sich die Schwierigkeiten des Soloparts noch potenzieren. In Bachs Orgelbearbeitung sind diese Kadenzen ebenfalls zu finden, nicht aber in der gedruckten Ausgabe des Violinkonzerts, die um 1720 in Amsterdam im Rahmen von Vivaldis Opus 7 erschienen ist.
Der Titel verweist zweifellos auf den mächtigsten aller Großmoguln, den berühmten Aurangzeb, der nach der brutalen Ausschaltung seiner Familie und der Zerstörung zahlloser Hindutempel ein strenges muslimisches Regiment über fast ganz Indien etablierte. Seine lange Herrschaft von 1657 bis zu seinem Tod 1707 machte ihn auch in Europa zu einem gefürchteten Potentaten, dem man in Kunstwerken einen geradezu unerschöpflichen Reichtum andichtete. Erinnert sei nur an die kostbarste Goldschmiedearbeit des Grünen Gewölbes in Dresden: Johann Melchior Dinglinger schuf seinen Hofstaat zu Delhi am Geburtstag des Großmoguls Aurangzeb zwischen 1701 und 1708. Vivaldi dürfte sein D-Dur-Concerto nur wenig später geschrieben haben. Etliche Kaufleute Venedigs unterhielten Handelsbeziehungen zum Reich des Großmoguls. Von ihren Berichten ließ sich Vivaldi zu seinem bizarren Concerto inspirieren, dessen Solopassagen so glitzernd und funkelnd wirken wie Dinglingers indische Juwelen. Dazu passt auch der orientalisch anmutende Mittelsatz, ein Rezitativ der Solo-Violine mit etlichen „türkisch“ klingenden, übermäßigen Intervallen. (Ursprünglich stammten die Moguln aus dem Osten der Türkei.)