Drei Meditationen aus Mass für Cello und Orchester / Klavier
Werkverzeichnisnummer:
Cello
Orchester / Klavier
Wenn heute von jüdischer Musik in den USA die Rede ist, fällt unweigerlich der Name Leonard Bernstein, obwohl der unendlich vitale Dirigent, Komponist und Pianist aus New York seine jüdischen Wurzeln nur selten zum Thema seiner Werke machte. Zu sehr bewegten ihn die gesellschaftlichen Spannungen aller ethnischen Gruppen im Einwandererland USA.
Ein besonders charakteristisches Beispiel für die Vermischung vieler Traditionen in einem einzigen Werk, wie sie Bernstein liebte, wurde am 8. September 1971 in Washington, DC, uraufgeführt: seine Mass. Die amerikanische Hauptstadt feierte die Einweihung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts. Bernstein war aus New York angereist, weil ihm Jacqueline Kennedy den Auftrag zu einem Großwerk für diesen Anlass erteilt hatte. Bernstein nannte es Mass. A Theatre Piece for Singers, Players and Dancers („Messe, ein Theaterspiel für Sänger, Instrumentalisten und Sänger“). Der Inhalt: die katholische Messe im vorkonziliaren Ritus, in Englisch und Latein gesungen, getanzt und gespielt, mit freien Einlagen des „Priesters“ und seiner „Gemeinde“, die teils jüdisch, teils von Spirituals und anderen Gebetsgesängen inspiriert wurden. De facto war das Ganze ein gigantisches Gemisch aus typischen Bernstein-Rhythmen, Messgesängen vieler Religionen und Songs der Flower-Power-Generation, deren Ideale sich Bernstein hier unverkennbar auf die Fahnen schrieb – sehr zum Ärger jenes Establishments in Washington, das unvermindert am Vietnam-Krieg festhielt.
Das zweistündige Mammutwerk wird heute nur noch selten aufgeführt, umso häufiger aber die drei Meditationen. Diese ursprünglich orchestralen Zwischenspiele vor dem Gloria, der Lesung und dem Offertorium hat Bernstein für Cello und Orchester bzw. Klavier bearbeitet. Es sind Meditationen des Juden Bernstein über das Geheimnis der göttlichen Offenbarung. Sie zeigen den Komponisten der West Side Story von einer wenig vertrauten Seite.
Aus Bernsteins mehr als 100 Kompositionen sind nur ganz wenige Stücke ins Bewusstsein des breiteren Publikums vorgedrungen: neben der West Side Story der ein oder andere Song aus seinen weiteren Broadway-Musicals, die Chichester Psalms und die schwungvoll-optimistische Ouvertüre zur Operette Candide. Dass sein kompositorisches Schaffen als Ganzes wenig Beachtung gefunden hat, mag angesichts der Popularität des Dirigenten Bernstein verwundern, hat aber Gründe in diesem Schaffen selbst. Bernstein liebte es, Tabus zu brechen und Stilgrenzen zu ignorieren. In seinem Bekenntnis zum Stilpluralismus leugnete er konsequent die Grenzen zwischen E- und U-Musik und löste sie auf. In dieser scheinbar „stillosen“ Form thematisierte er zentrale gesellschaftliche Probleme seiner Zeit, was ihn zwangsläufig zum Musikdramatiker machte: „Ich habe den Verdacht, dass jedes Werk, das ich schreibe, für welches Medium auch immer, in Wirklichkeit in irgendeiner Weise Theatermusik ist.“ In dieser Weise waren auch drei Meditationen aus Mass ursprünglich in einen theatralischen Kontext eingebettet.