Trois Nocturnes für Klaviertrio
Werkverzeichnisnummer:
Andante
Andante quieto
Tempestoso
Langsames Schreiten im Klavierbass, eine leise klagende Melodie der Streicher, die sich in hohe Klänge auflöst, glitzernde Klavierakkorde: So beginnt das erste Nocturne für Klaviertrio von Ernest Bloch. In diesen drei Sätzen aus dem Jahre 1925 umschrieb der aus Genf stammende Komponist nächtliche Stimmungen, und zwar nicht nur im Sinne des romantisch schwärmerischen Nocturne alla Chopin, sondern auch dunkel, düster und bedrohlich, wie es die politischen Verhältnisse der Zwanziger Jahre für einen jüdischen Emigranten in den USA nahelegen mochten.
Das erste Stück, Andante, taucht in der schon beschriebenen Art quasi aus dem Nebel auf. Die Einleitung mündet in einen klagenden Gesang der beiden Streicher, der von den düsteren Bässen des Klaviers begleitet wird.
Das ruhige zweite Stück (Andante quieto) beginnt gleichsam hell erleuchtet: mit einer Kantilene des Cellos über wiegenden Klavierakkorden, fast eine Berceuse. Im Dialog mit der Violine und später dem Klavierdiskant steigert sich dieses herrliche Thema zu großer Emphase.
Tempestoso, „Stürmisch“ ist das dritte Stück überschrieben: Über bedrohlichen Synkopen im Klavierbass und den Streichern baut sich in der rechten Hand des Klaviers ein groteskes Thema auf, das eine Art „Klangsturm“ heraufbeschwört. Ein klagendes Thema von unverkennbar jüdischer Prägung wird in einen Taumel aus wilden Akkorden gestürzt – Vorahnung kommender Bedrängnisse, die aus der Nacht einer politisch dunklen Zeit für sein Volk erwachsen sollten.
Der in Genf geborene Ernest Bloch durchlief in seinem fast sechzigjährigen Schaffen die verschiedensten Stil-phasen: von romantischen Ursprüngen über Expressionismus und Neoklassizismus bis hin zu einem vielfältigen Altersstil. Seine bekanntesten Werke, America für Chor und Orchester (1926) und das Orchesterstück Helvetia (1929), stehen für die beiden Pole seines Lebensweges. Bis 1916 wirkte er in seiner Schweizer Heimat in Neuchâtel, Lausanne und Genf, dann ging er zum ersten Mal in die USA, wo er die Musikinstitute in Cleveland und San Francisco leitete und 1924 die amerikanische Staatsbürgerschaft erwarb.
Während der Dreißiger Jahre lebte er zunächst wieder in der Schweiz, bevor ihn der Antisemitismus im Lande endgültig nach Amerika auswandern ließ. Dort wurde er Professor an der University of California in Berkeley und ein hochangesehener Komponist. Heutzutage ist Bloch vor allem als Vertreter einer spezifisch jüdischen Musik bekannt, die in seinem Schaffen besonders während der Zwanziger Jahre eine zentrale Rolle spielte.
Nach David Kushner war Musik für Bloch „ein Ausdruck von Geistigkeit, … besonders im orchestralen und kammermusikalischen Medium, wo er sich völlig zuhause fühlte.“